
Psychische Gesundheit in der Gesundheitspolitik
Mai. 2016Psychische Gesundheit
Leitartikel Psychische Gesundheit. Psychische Krankheiten verursachen viel Leid, sowohl bei den direkt Betroffenen als auch bei den Angehörigen. Damit ihr Leid und die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten gesenkt werden können, bedarf es eines verstärkten Engagements, einer verbesserten Koordination der bisherigen Aktivitäten sowie einer verstärkten Vernetzung aller Akteure im Bereich psychische Gesundheit.
Psychische Gesundheit umfasst Wohlbefinden, Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und die Fähigkeiten, Beziehungen zu pflegen, zu arbeiten und den Alltag zu bewältigen. Psychisch gesund fühlt sich zudem, wer seine intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten ausschöpfen und seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten kann. Vielen ist dies jedoch nicht möglich, weil sie psychisch erkrankt sind: Innerhalb eines Jahres leidet bis zu einem Drittel der Schweizer Bevölkerung an einer psychischen Krankheit. Da sie sich auf alle Lebensbereiche auswirken, den Alltag und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen und auch Angehörige mitbelasten können, gehören psychische Krankheiten zu den einschränkendsten Erkrankungen. Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen zählen Angststörungen und Depressionen. Zurzeit nimmt ein Drittel bis zur Hälfte der Erkrankten professionelle Hilfe in Anspruch. Nebst den Informationsdefiziten über Behandlungsmöglichkeiten erschwert die nach wie vor vorhandene Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen das Aufsuchen und Annehmen von Hilfe.
Prävention kann Kosten senken
Psychische Krankheiten verursachen hohe Kosten. Dabei handelt es sich vor allem um indirekte Kosten, die durch Produktionsverluste zum Beispiel aufgrund von krankheitsbedingten Abwesenheiten, Berentungen, vorzeitigem Tod oder Angehörigenpflege entstehen. Erstmalige Berechnungen für die Schweiz beziffern die indirekten Kosten für psychische Erkrankungen inklusive Demenz im Jahr 2011 auf 13 Milliarden Franken. In diesem Sinne lindert Prävention nicht nur viel Leid, sie lohnt sich auch finanziell, wie dies auch die bundesrätliche Strategie «Gesundheit2020» festhält: Mit weniger psychischen Krankheiten würden weniger hohe Kosten für die Krankenversicherung und für andere Sozialversicherungszweige wie die Invalidenversicherung, aber auch für Familien oder für die Wirtschaft anfallen. Die Prävention psychischer Erkrankungen ist eine Herausforderung, die eine intensive Zusammenarbeit aller Akteure verlangt – innerhalb und aus-serhalb des Gesundheitswesens. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) engagiert sich sowohl in der Förderung der psychischen Gesundheit als auch in der Betreuung und Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz
Zur Förderung der Koordination und Vernetzung aller im Bereich der psychischen Gesundheit tätigen Akteure wurde im Dezember 2011 das Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz (NPG) gegründet. Die Zahl der Mitglieder wächst stetig an. Heute besteht das Netzwerk aus 170 Mitgliedern, darunter Kantone, private Unternehmen und Organisationen. Das NPG verwaltet die Nutzungsrechte der Materialien des «Bündnis gegen Depression» und der Kampagne «10 Schritte für psychische Gesundheit». Die evaluierten Materialien des Bündnisses setzen auf mehreren Ebenen an:
– Informationen für die Öffentlichkeit
– Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Multiplikatoren wie Lehrpersonal, Seelsorgende usw.
– Förderung von Selbsthilfegruppen
Die Kampagne «10 Schritte für psychische Gesundheit» stammt ursprünglich aus Oberösterreich und wurde vom Kanton Zug in die Schweiz geholt. Die Kampagne liefert mit einfachen Piktogrammen Denkanstösse, was jeder und jede für die individuelle Förderung der psychischen Gesundheit tun kann (Abbildung). Beide Angebote werden den Mitgliedern des NPG kostenlos zur Verfügung gestellt.
Handlungsbedarf eruiert
In den Jahren 2014 und 2015 erarbeitete das BAG zusammen mit den Kantonen und der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz den Bericht «Psychische Gesundheit in der Schweiz. Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf». Der Bericht dient der Beantwortung des Postulats 13.3370 «Beabsichtigte Massnahmen zur psychischen Gesundheit in der Schweiz». Schwerpunkte des Berichts sind die Förderung der psychischen Gesundheit, die Prävention und die Früherkennung psychischer Krankheiten sowie deren Schnittstellen mit der Gesundheitsversorgung. Die Analysen zeigten, dass in der Schweiz bereits viel für die Förderung und Erhaltung der psychischen Gesundheit getan wird. Handlungsbedarf besteht auf nationaler Ebene in folgenden Bereichen:
– Sensibilisierung, Information und Entstigmatisierung
– Stärkung und Optimierung von Aktivitäten der Gesundheitsförderung, Prävention und Früherkennung insbesondere bei Lebensphasenübergängen und kritischen Ereignissen
– Koordination der Akteure
– Wissensgrundlagen
Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen
Im März 2016 hat der Bundesrat im Bericht «Die Zukunft der Psychiatrie in der Schweiz» Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen zur Behandlung von psychischen Krankheiten verabschiedet. Der Bund will in Zukunft die Koordination der Angebote fördern, zur besseren Qualifikation der Fachpersonen beitragen und die Datenlage über die Versorgung verbessern.
Aktionsplan für die Suizidprävention
In der Schweiz sterben jedes Jahr rund 1000 Menschen durch nicht assistierten Suizid. Suizidale Handlungen finden meist in einem psychischen Ausnahmezustand statt und sind nur selten nüchtern überlegte Handlungen. Das BAG, die Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz erarbeiten seit 2014 einen Aktionsplan Suizidprävention. Anstoss für den Aktionsplan war die Motion Ingold 11.3973 «Suizidprävention. Handlungsspielraum wirkungsvoller nutzen». Durch den Aktionsplan sollen nicht assistierte Suizide und Suizidversuche in der Schweiz weiter und nachhaltig reduziert werden. Der Aktionsplan wird dem Bundesrat und dem Dialog Nationale Gesundheitspolitik Ende 2016 zur Verabschiedung vorgelegt. Der Aktionsplan soll ab 2017 umgesetzt werden.
Kontakt
Chantale Bürli und Esther Walter, Sektion Nationale Gesundheitspolitik, chantale.buerli@bag.admin.ch und esther.walter@bag.admin.ch