Rückblick auf acht Jahre Nationales Programm Alkohol
Apr. 2017Ende der Nationalen Präventionsprogramme
Nationales Programm Alkohol 2008–2016 (NPA 2008–2016). Alkohol ist ein fester Bestandteil unserer Kultur – sei es das Glas Rotwein zum Essen, der Prosecco zum Anstossen oder das Feierabendbier.Dennoch: Alkohol ist kein normales Konsumgut und der Umgang mit ihm will gelernt sein. Der Grossteil der Bevölkerung weiss zwar, wie mit Alkohol umgehen, doch ungefähr jede fünfte Person trinkt zu viel, zu oft oder zur falschen Zeit. Rund die Hälfte allen Alkohols wird von 11 Prozent der Bevölkerung getrunken. Übermässiger Alkoholkonsum ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für chronische Krankheiten, führt zu Belastungen im Umfeld und bringt Gefahren auf die Strasse. Jährlich entstehen dadurch gesellschaftliche Kosten von etwa 4,2 Milliarden Franken.* Im Interesse aller setzte sich im Jahr 2008 das Nationale Programm Alkohol das Ziel: «Wer alkoholische Getränke trinkt, tut dies, ohne sich selber und anderen Schaden zuzufügen.»
Der Bundesrat hat 2005 das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) und damit das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit der Überprüfung der schweizerischen Alkoholpolitik betraut. Die partizipative Erarbeitung eines Strategiepapiers zeigte, dass sowohl auf institutioneller als auch auf Bevölkerungsebene Defizite herrschten:
- Die Koordination zwischen den Akteuren im Bereich Alkohol auf der nationalen, kantonalen und kommunalen Ebene ist unzureichend. Der Austausch zwischen den Akteuren ist eingeschränkt.
- Es bestehen Informationsdefizite. Die Alkoholpolitik leidet unter einem Vermittlungsdefizit. Die Bevölkerung ist sich der Folgen problematischen Alkoholkonsums zu wenig bewusst.
- Der Vollzug von bestehenden Gesetzen, beispielsweise das Abgabealter von Alkohol, funktioniert nur begrenzt und die bestehenden Spielräume für eine engagierte Alkoholprävention werden unterschiedlich genutzt.
Die Wichtigkeit eines von allen Akteuren der Alkoholprävention gemeinsam getragenen Vorgehens wurde damit deutlich gemacht. Der Startschuss für das erste Nationale Programm Alkohol 2008–2012 fiel am 18. Juni 2008 mit dessen Verabschiedung durch den Bundesrat.
Abgestimmte Aktionen unter gemeinsamem Dach
Das Ziel des NPA war es, die Kompetenzen der Menschen im Umgang mit Alkohol zu stärken und den Alkoholmissbrauch einzudämmen. Um das zu erreichen, brauchte es die Zusammenarbeit von verschiedensten Akteuren wie dem Bund, den Kantonen, den Gemeinden und NGOs, aber auch von Schulen, Arztpraxen und der Polizei. Das NPA verfolgte sieben Oberziele in zehn Handlungsfeldern. Themenbereiche wie beispielsweise der Jugendschutz, die Einstellung der Bevölkerung oder die Verminderung der sozialen Folgen durch übermässigen Konsum wurden darin definiert. Das NPA fungierte als Dach für vielfältige Massnahmen in allen Handlungsbereichen. Die Aufsicht oblag einer strategischen Leitung, bestehend aus dem BAG, der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV), der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen (EKAL) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Dem BAG kam eine koordinierende Rolle zu. Es trug die Verantwortung für die nationale Kampagne und die begleitende Kommunikation, für Forschung, Monitoring und Evaluation sowie die Entwicklung und Verbreitung von Best Practices.
Die Umsetzung lag beim BAG und bei der Begleitgruppe bestehend aus EAV, EKAL, Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Bundesamt für Strassen (ASTRA), Sucht Schweiz, Fachverband Sucht, Blaues Kreuz, Groupement Romand d’Etudes des Addictions (GREA), Infodrog, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), Ticino Addiction, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, Konferenz der städtischen Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren (KSSD) sowie bis zu deren Auflösung der Expertengruppe Weiterbildung Sucht (EWS). Diese Institutionen von nationaler Bedeutung übernahmen die Federführung für die Aktivitäten und stimmten sie mit den kantonalen Stellen ab.
Zu Beginn des Programmes wurde viel in den Aufbau der Koordinationsarbeit investiert: Austauschplattformen und neue Instrumente wurden geschaffen, Massnahmen zu Testkäufen, Schulungen des Verkaufspersonals im Sinne des Jugendschutzgesetzes, die Förderung von kantonalen Aktionsplänen (KAP) und die Alkoholpräventionskampagne «Ich spreche über Alkohol» mit dem Herzstück Dialogwoche Alkohol konnten umgesetzt werden. Ein zentrales Element war auch der neue Finanzierungsprozess, der Transparenz schuf, Innovation förderte und einen kohärenten Mitteleinsatz ermöglichte. In den Jahren 2010 und 2011 wurde das Programm erstmals evaluiert. Der Bericht kam zum Schluss, dass das NPA als nationale Dachstrategie ein wirkungsvolles Instrument darstellt, da es den verschiedenen Akteuren Orientierung und Rückhalt bot. Die Akteure tauschten sich vermehrt aus und die Fachleute, die Bevölkerung und die Politik konnten stärker sensibilisiert werden. Der Verzicht auf strukturelle Massnahmen aufgrund fehlender politischer Mehrheitsfähigkeit wurde hingegen kritisiert. Die Schlussfolgerung jedoch war deutlich: Das Programm sollte verlängert werden, es sei auf gutem Weg.
Die Konsolidierungsphase – Verlängerung des NPA bis 2016
Um den längerfristigen Erfolg des Programms zu sichern, verlängerte der Bundesrat das NPA im Mai 2012. Gleichzeitig erfolgte eine Bündelung der Ressourcen und drei Anliegen wurden in den Mittelpunkt gerückt: der Jugendschutz, die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Schädlichkeit des problematischen Konsums und die verbesserte Koordination der vielfältigen Präventionsaktivitäten.
Die Zusammenarbeit mit den Partnern hatte sich über die ersten Jahre gut eingespielt und gemeinsam konnte man in der zweiten Programmhälfte in der Zielerreichung voranschreiten. Bewährtes aus den ersten vier Jahren wie beispielsweise die KAP-Tagungen oder das Gesuchverfahren wurden weitergeführt. Ebenfalls fortgesetzt wurde das seit 2011 jährlich durchgeführte Suchtmonitoring, welches Daten zum Konsum und zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber Alkohol lieferte. Zusätzlich dazu ergänzten Studien zu Alkoholintoxikationen, Gewalt und Alkohol und den gesellschaftlichen Kosten des Alkoholmissbrauchs die bis 2008 lückenhafte Datenlage. Die 2011 erstmals lancierte nationale Dialogwoche Alkohol unter dem Motto «Ich spreche über Alkohol» wurde partnerschaftlich und bottom-up organisiert. Dies mit dem Ziel, die Koordination und Vernetzung unter den Partnern zu stärken und die Bevölkerung für den problematischen Alkoholkonsum zu sensibilisieren. Seit 2015 wurde die zweijährliche Dialogwoche Alkohol mit Top-down-Massnahmen und der Präventionsbotschaft «Wie viel ist zu viel?» (alcohol-facts.ch) ergänzt. Die Frage regt dazu an, eine persönliche und situationsangepasste Antwort zu finden.
Eine externe Evaluation im Jahr 2015 lieferte eine Standortbestimmung des bisher Geleisteten und eine Entscheidungsgrundlage für die Zukunft. Die Resultate waren gut: Die meisten Aktivitäten konnten wie geplant umgesetzt werden. Zudem haben die Durchführung von Tagungen und Weiterbildungen oder die Erarbeitung von Konzepten viel zu einem gelungenen Informationsaustausch und zur Klärung der jeweiligen Rolle beigetragen. Einfache, verständliche Botschaften und Argumentarien wurden in allen Aktivitäten und dank der guten Koordination mit den verschiedenen Partnern wirkungsvoll und breit abgestützt in die Bevölkerung und die Zielgruppen getragen.
Im Dezember 2016 ging mit dem Ende des NPA eine erfolgreiche Ära zu Ende. Viel konnte erreicht werden in den acht Jahren der Programmlaufzeit: Es wurden wirksame Massnahmen entwickelt und umgesetzt, wissenschaftliche Grundlagen erarbeitet und die Informationen zu Alkoholmissbrauch verständlich und fundiert – dank Partner und Kampagnen – der Bevölkerung vermittelt. Gestärkt – nicht zuletzt auch dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit den Kantonen – wurde das NPA 2017 in die neuen Strategien Sucht und NCD (NCD: non-communicable diseases, nichtübertragbare Krankheiten) überführt. Gemeinsam mit den Akteuren der Alkoholprävention wird die Arbeit im Rahmen der neuen Strategien weitergehen, denn Alkoholmissbrauch betrifft alle und von einer wirksamen Prävention profitiert die ganze Gesellschaft.
* Fischer et al. (2014). Alkoholbedingte Kosten in der Schweiz. Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit, siehe: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/34153.pdf (aufgerufen 31.01.2017).
Kontakt
David Hess-Klein, Sektion Gesundheitsförderung und Prävention, david.hess-klein@bag.admin.ch