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Belastung hängt von subjektiv wahrgenommenen Umweltstressoren ab

Ausgabe Nr. 135
Sep. 2022
Umwelt und Gesundheit

Eine neue Studie kommt zum Schluss, dass das psychische Wohlbefinden nicht mit dem Ausmass der objektiven Umweltbelastung in Zusammenhang steht, sondern mit der subjektiven Wahrnehmung der Belastung. Weil der Kontakt mit der Natur den Leuten ein Gefühl der Kontrolle über ihre Umweltbelastung vermittle, brauche es mehr attraktive, zugängliche und gut erreichbare Grünflächen.

In der Schweiz leidet etwa ein Drittel der Bevölkerung an leichten depressiven Symptomen und ungefähr ein Sechstel an mittelschweren bis schweren psychischen Störungen. Dafür gibt es eine Vielzahl verschiedener Gründe, beispielsweise genetische Veranlagung, neurobiologische Störungen oder bestimmte Entwicklungs- und Persönlichkeitsfaktoren. Wie in der Forschung immer klarer wird, spielen auch externe Faktoren eine Rolle: Eine belastete Umwelt kann die körperliche, aber auch die psychische Gesundheit in Mitleidenschaft ziehen.

Win-win für Umweltschutz und Gesundheitsförderung

Auch umgekehrt gilt: Attraktive Landschaften mit einer abwechslungsreichen Tier- und Pflanzenwelt tun uns gut. Daraus ergibt sich eine Win-win-Situation für Gesundheitsförderung und Umweltschutz. Die Schweiz steht zwar in Bezug auf Luftverschmutzung und Lärm sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich gut da. Trotzdem leiden auch hierzulande zahlreiche Menschen an umweltbedingten Auswirkungen wie Schlafstörungen oder beeinträchtigter Aufmerksamkeit, etwa aufgrund von Verkehrslärm. Eine neue Studie des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der ETH Zürich hat nun zum ersten Mal verglichen, ob die psychische Belastung stärker mit den objektiven (das heisst mit den modellierten und geocodierten) Belastungswerten am Wohnort einer Person oder eher mit den subjektiv wahrgenommenen Umweltstressoren zusammenhängt.

Subjektiv wahrgenommene Umweltbelastung

Die Studienautoren stützten sich auf Daten des sogenannten Schweizer Umweltpanels, das seit 2018 mit halbjährlichen Befragungen einer repräsentativen Stichprobe von etwas mehr als 6000 Personen in Erfahrung bringt, wie die hiesige erwachsene Wohnbevölkerung ihre Lebens- und Umweltbedingungen wahrnimmt. In ihrer Analyse kommen die Forschenden zum Schluss, dass das Ausmass der objektiven Umweltbelastung (also die am Wohnort gemessenen Lärm- und Luftverschmutzungswerte) keinen direkten Effekt auf das psychische Wohlbefinden hat, die subjektive Wahrnehmung der Belastung hingegen schon. Das bedeutet, dass Umweltstressoren gleichen Ausmasses nicht von allen Menschen als gleich belastend empfunden werden. Ausschlaggebend für den Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit ist die kognitive Verarbeitung dieser Stressoren.

Personen, die in der Nähe von Grünflächen wohnen, und vor allem auch Personen, die sich immer wieder in der Natur aufhalten, gaben bei der Befragung eher an, bei guter psychischer Gesundheit zu sein. Die Forschenden führen dieses Resultat darauf zurück, dass sich der subjektiv wahrgenommene Umweltstress dank Spaziergängen oder Ausflügen ins Grüne schmälert, weil die Aufenthalte in der Natur den Personen die Möglichkeit geben, die Umweltbelastung kognitiv zu verarbeiten.

Weiterer Puzzlestein

Der Kontakt mit der Natur vermittle den Leuten ein Gefühl der Kontrolle über ihre Umweltbelastung, halten die Forschenden fest. Sie schliessen ihre Untersuchung mit der Forderung nach mehr attraktiven, zugänglichen und gut erreichbaren Grünflächen. Damit trägt die neue Studie einen weiteren Puzzlestein zum Bild bei, das sich mit zunehmender Evidenz immer deutlicher formt: Aufenthalte in der Natur können das menschliche Wohlbefinden auf mindestens drei Arten positiv beeinflussen.

  • Zum einen tragen Aufenthalte in der Natur zur Stressreduktion und zur Erholung bei. Diesen Wiederherstellungseffekt haben viele Wanderer oder Schrebergärtnerinnen wohl schon immer intuitiv gespürt, doch nun ist er mittlerweile auch wissenschaftlich gut belegt und erhärtet.
  • Zum zweiten fördern Grünflächen das psychische Wohlbefinden, weil sie zu Verhaltensweisen einladen, die allgemein gesundheitsfördernd sind. Dazu gehören nicht nur körperliche Aktivitäten, die den Stressabbau begünstigen, sondern auch der verstärkte soziale Austausch im Freien, von dem etwa viele Hundefreunde profitieren.
  • Zum dritten können Grünflächen auch schadensbegrenzend wirken: Sie absorbieren den Lärm und filtern einen Teil der Schadstoffe aus der Luft. Als natürliche Pufferzonen können sie Menschen in verkehrsreichen Gebieten zumindest ein Stück weit von den negativen Auswirkungen der Umweltstressoren abschotten.

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Kontakt

Gisèle Jungo
Sektion Gesundheitsförderung und Prävention


Hannah Scheuthle
Bundesamt für Umwelt (BAFU)

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