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Cannabis-Pilotversuche: Erkenntnisse für künftige Regulierung gewinnen

Ausgabe Nr. 139
Dez. 2023
Cannabispolitik – wie weiter?

Um wissenschaftliche Grundlagen für eine künftige gesetzliche Regulierung zu gewinnen, sind seit Anfang 2023 verschiedene Cannabis-Pilotversuche angelaufen. Die Pilotversuche werden auf Initiative verschiedener Akteure – etwa Städte und Gemeinden – geplant und durchgeführt und bedürfen einer Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Grundsätzlich ist der Verkauf und Konsum von Cannabisprodukten mit einem THC-Gehalt von mindestens einem Prozent in der Schweiz verboten. Trotzdem ist der Konsum verbreitet. Die Sicherheit der Konsumierenden hinsichtlich Produktqualität kann nicht gewährleistet werden, da die Cannabisprodukte auf dem Schwarzmarkt vertrieben werden.

Mit der Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) im September 2020 hat das Parlament deshalb gesetzliche Grundlagen für wissenschaftliche Pilotversuche geschaffen, die zeitlich auf fünf Jahre befristet und örtlich auf eine oder mehrere Gemeinden begrenzt sind. Die Pilotversuche sollen wissenschaftliche Erkenntnisse zum kontrollierten Verkauf von Cannabisprodukten liefern und damit Entscheidungsgrundlagen für eine mögliche künftige Regulierung schaffen.

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Strikte Auflagen

Im Gegensatz zur Cannabisabgabe zu medizinischen Zwecken geht es bei den Pilotversuchen um den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken. Es gelten strenge Vorgaben hinsichtlich Prävention und Gesundheitsschutz – dazu gehört ein striktes Werbeverbot für Cannabisprodukte. Im Rahmen der Pilotversuche wird ausserdem dem Kinder- und Jugendschutz Rechnung getragen, etwa mit kindersicheren und mit Warnhinweisen versehenen Verpackungen.

Das geschulte Personal der Verkaufsstellen soll die Teilnehmenden zudem für die Risiken des Konsums sensibilisieren. Die Menge Cannabis, die pro Bezug und Monat erworben werden kann, ist beschränkt und der Weiterverkauf wie auch der Konsum an öffentlich zugänglichen Orten sind untersagt. Die angebotenen Produkte müssen ausserdem hohe Qualitätsanforderungen erfüllen, aus biologischem Anbau stammen und Schweizer Herkunft sein.

Als Studienteilnehmende zugelassen sind Erwachsene, die nachweislich bereits Cannabis konsumieren, volljährig und urteilsfähig sind und keine ärztlich diagnostizierte Krankheit haben, welche sich aufgrund von Cannabiskonsum verschlimmern könnte. Schliesslich wird auch der Gesundheitszustand der Teilnehmenden während der gesamten Studie überwacht.

Sechs Pilotversuche bewilligt

Aktuell (Stand November 2023) sind sechs Pilotversuche bewilligt:

  • WeedCare (Basel)
  • Züri Can – Cannabis mit Verantwortung (Zürich)
  • Cann-L (Lausanne)
  • La Cannabinothèque (Genf)
  • SCRIPT (Bern, Biel, Luzern)
  • Grashaus Projects BL (Allschwil, Liestal)

Als erster Pilotversuch hat das Projekt «WeedCare» Ende Januar 2023 mit dem Verkauf von Cannabisprodukten begonnen. Die 374 Teilnehmenden sind zwischen 18 und 76 Jahre alt, das Durchschnittsalter aller Teilnehmenden beträgt 36 Jahre. «Der Verkauf der sechs verfügbaren Produkte in den neun Studienapotheken verläuft bisher ohne Auffälligkeiten», berichtet Regine Steinauer. Sie ist Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, welches das Projekt «WeedCare» zusammen mit den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK), der Universität Basel und den Psychiatrischen Diensten Aargau durchführt. Ob die Teilnehmenden mit dem Setting zufrieden sind, könne noch nicht eingeschätzt werden, so Steinauer: «Die Zufriedenheit der Studienteilnehmenden wird in regelmässige Fragebögen erfragt und eine Auswertung liegt erst nach einem Jahr vor. Bisher gibt es aber nur wenige Studienabbrüche.»

Verschiedene Verkaufssettings

Während die Studie «WeedCare» auf einen Verkauf in Apotheken setzt, werden die Cannabisprodukte beim Pilotversuch «Züri Can» seit August 2023 in Apotheken, einem Drogeninformationszentrum und in sogenannten Social Clubs vertrieben. Letzteres sind Orte, in denen Cannabisprodukte nicht nur gekauft, sondern auch gemeinsam konsumiert werden können. Auch nicht-gewinnorientierte Vereinsmodelle werden getestet, zum Beispiel beim Pilotversuch La Cannabinothèque in Genf.

Eigene Forschungsschwerpunkte

Alle Pilotversuche haben das Ziel, Informationen über die Vor- und Nachteile eines kontrollierten Zugangs zu Cannabis zu sammeln. Dazu gehören neben Auswirkungen auf die physische und die psychische Gesundheit sowie auf das Konsumverhalten auch sozioökonomische Aspekte wie Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit oder soziale Beziehungen. Es können auch Effekte auf den lokalen Schwarzmarkt, den Jugendschutz oder die öffentliche Sicherheit untersucht werden.

Welche konkreten Forschungsfragen erarbeitet und überprüft werden, entscheiden die Verantwortlichen der Pilotversuche. Sie sind verpflichtet, das BAG jährlich über den Verlauf zu informieren und die Ergebnisse in einem Forschungsbericht festzuhalten. Das BAG wertet alle Versuche im Rahmen einer Meta-Studie aus und fasst die Erkenntnisse in einem Bericht zuhanden des Bundesrats zusammen. Aufgrund der bereits angelaufenen politischen Bestrebungen im Parlament für eine Neuregelung von Cannabis erfolgt die Auswertung fortlaufend, um die Erfahrungen möglichst rasch in den politischen Prozess einspeisen zu können.

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Kontakt

Stephan Rösselet
politische Grundlagen und Vollzug

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