Cannabisarzneimittel: erleichterter Zugang mit Hürden
Dez. 2023Cannabispolitik – wie weiter?
Per 1. August 2022 wurde das Verbot von Cannabis zu medizinischen Zwecken im Betäubungsmittelgesetz aufgehoben. Cannabisarzneimittel können nun von Ärztinnen und Ärzten ohne Bewilligung des BAG verschrieben werden.
Cannabis wird für verschiedene Indikationen als Arzneimittel verschrieben: zum Beispiel Spastik bei Multipler Sklerose, chronische und neuropathische Schmerzen sowie Übelkeit und Appetitlosigkeit im Kontext einer Krebserkrankung. Aufgrund der zunehmenden Anerkennung von Cannabis als Arzneimittel wurde das Verbot von Cannabis für medizinische Zwecke am 1. August 2022 aufgehoben. Konkret können nun Cannabisarzneimittel von Ärztinnen und Ärzten ohne Ausnahmebewilligung des BAG verschrieben werden. Durch die Gesetzesänderung sind der Anbau, die Verarbeitung, die Herstellung und der Handel von medizinischem Cannabis dem Bewilligungs- und Kontrollsystem von Swissmedic unterstellt worden. Dies analog zu anderen medizinisch verwendeten Betäubungsmitteln wie Morphin oder Methadon.
Um die Entwicklung der Verschreibung von Cannabisarzneimitteln zu beobachten und mehr Evidenzen zu ihren Wirkungen zu gewinnen, wird eine begleitende Datenerhebung durchgeführt. Die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, dem BAG während der ersten Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung Angaben zur Behandlung zu übermitteln (Meldepflicht). Die Datenerhebung wird als Grundlage für die wissenschaftliche Evaluation der Revision dienen sowie den zuständigen kantonalen Vollzugsorganen und den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten eine Orientierungshilfe geben.
Wenig Wandel seit der Gesetzesänderung
Es ist also eine ausführliche Evaluation der gesammelten Daten geplant. Da seit der Aufhebung des Verbots erst etwas mehr als ein Jahr vergangen ist, fehlt es für eine umfassende Einschätzung noch an Erkenntnissen und Erfahrung. An der Front – in den Apotheken – ist zumindest eine Tendenz erkennbar. Manfred Fankhauser, Apotheker und Pionier im Bereich der medizinischen Cannabistherapien, fasst die bisherige Entwicklung seit der Gesetzesänderung so zusammen: «Falls es überhaupt eine Zunahme an Verschreibungen gab, dann auf sehr bescheidenem Niveau.» Dies sei darauf zurückzuführen, dass es einerseits an verschreibungswilligen Ärztinnen und Ärzten mangle und andererseits liege es an den hohen Kosten der Medikamente.
Da die Verschreibung von medizinischem Cannabis in der Verantwortung der Ärzteschaft liegt, ist diese ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die Verbreitung. Obwohl die Akzeptanz gegenüber Medizinalcannabis zugenommen hat, ist die Datenlage betreffend Wirksamkeit nach wie vor ungenügend. Ärztinnen und Ärzte sind entsprechend zurückhaltend, wenn es um das Verschreiben von Cannabisarzneimitteln geht, und greifen lieber auf gängige Medikamente zurück. Auch ist die Verschreibung von medizinischem Cannabis mit der oben erwähnten Meldepflicht für die Datenerhebung verbunden.
Nicht zu unterschätzen ist ausserdem, dass Cannabis oft noch stigmatisiert und mit dem (verbotenen) Einsatz für rekreative Zwecke in Verbindung gebracht wird. Neben THC-haltigen Medikamenten dürfen seit der Gesetzesänderung auch Cannabisblüten mit THC zu medizinischen Zwecken verschrieben werden. Besonders die Blüten werden in dieser Form mit Betäubungsmitteln in Verbindung gebracht.
Die Frage der Vergütung
Die hohen Kosten der Medikamente erklärt Manfred Fankhauser folgendermassen: «Der Prozess vom Anbau bis zum fertigen Präparat ist aufwendig und kostenintensiv. Zudem müssen die entsprechenden Bewilligungen vorhanden sein.» Zu den hohen Preisen kommt, dass die Präparate von den Krankenkassen nicht rückvergütet werden müssen. Denn die Voraussetzungen für die Kostenvergütung von Cannabisarzneimitteln bleiben auch nach der Gesetzesänderung bestehen. In der Regel übernimmt die Krankenkasse die Kosten nur, wenn es sich um eine schwere Erkrankung handelt, bei der gängige Behandlungsmethoden nicht erfolgreich waren.
Im Auftrag des Bundesrats hat das Eidgenössische Departement des Innern geprüft, ob Handlungsbedarf im Bereich der Vergütung besteht. Der Prüfbericht kam jedoch zum Schluss, dass die benötigte Evidenz zu Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit für eine generelle Vergütung nicht gegeben ist. Die Erfüllung dieser Kriterien ist – wie bei allen anderen Arzneimitteln – eine Voraussetzung für die Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Es sind also weitere Studien nötig, um diese Aspekte zu belegen.
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Anna Rickli
Direktionsbereich Prävention und Gesundheitsversorgun
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