Ein intelligenter Mittelweg zwischen kompletter Inaktivität und intensivem Sport
Jan. 2017Prävention in der Gesundheitsversorgung
Activdispens. Activdispens. Vom Schulsport dispensiert und doch sportlich aktiv sein? Mit «activdispens» wurde ein innovatives Angebot für Schülerinnen und Schüler geschaffen, die aus ärztlicher Sicht und aus Sicht von Sportlehrpersonen vorübergehend nicht am regulären Sportunterricht teilnehmen können. Sie erhalten damit ein Alternativprogramm geboten, welches ihren Genesungsverlauf positiv beeinflusst. Das Projekt wurde 2013 von der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Rehabilitationstraining (SART) und dem Schweizerischen Verband für Sport in der Schule (SVSS) ins Leben gerufen. Es wird vom Universitäts-Kinderspital beider Basel und dem Bundesamt für Gesundheit unterstützt.
Die Grundidee des Projektes «activdispens» ist die aktive Integration teildispensierter Schülerinnen und Schüler in den Sportunterricht. Eine komplette Freistellung vom Sport in der Krankheitsphase widerspricht in vielen Fällen den heutigen Kenntnissen und Erfahrungen der Sportmedizin. Mit einer ärztlichen Sportdispensation wird den Kindern fälschlicherweise suggeriert, dass eine passive Haltung besser ist und Bewegung schädlich sein kann für den Genesungsverlauf. Das Übungsprogramm von «activdispens» zeigt den Jugendlichen auf, dass es einen intelligenten Mittelweg gibt zwischen kompletter Inaktivität und intensivem Sport. Dieser Weg ist notwendig für ein besseres Körpergefühl und Verständnis, was gut für die eigene Gesundheit ist.
Interprofessionelle Zusammenarbeit
Die Erarbeitung des Konzeptes erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten, Sportlehrerinnen und Sportlehrern sowie Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Im Rahmen einer Bedarfsanalyse wurde 2013 ein Fragebogen an 2600 Mitglieder von drei schweizerischen Ärztegesellschaften versandt. Ein weiterer Fragebogen ging an 4000 Sportlehrpersonen des SVSS an Schulen. Aus den Rückmeldungen wurde ein Teildispensationsformular für Ärzte entwickelt, welches die Bedürfnisse beider Berufsgruppen abdeckt und sicherstellt, dass sich der Verletzungszustand der Jugendlichen nicht durch inkorrekte Bewegung und Aktivität verschlechtert oder eine neue Verletzung hinzukommt. Die Erstellung eines geeigneten Trainingsprogramms lag in der Verantwortung der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, die als Fachpersonen für korrekte Bewegungen die Bedürfnisse der Sportlehrerinnen und Sportlehrer, Ärztinnen und Ärzte und der verletzten Jugendlichen berücksichtigt haben. Das Ergebnis dieses interdisziplinären Konzeptes ist ein Übungskatalog, der die Sportlehrperson einfach und mit wenig Vorbereitungszeit unterstützt, teildispensierte Schülerinnen und Schüler aktiv in den Schulsport zu integrieren.
Bottum-up-Strategie unterstützt die Akzeptanz
Dass Interdisziplinarität nicht nur bei den beteiligten Berufsgruppen gut ankommt, verdeutlicht das Beispiel eines Schülers am Gymnasium in Oberwil (BL), der den Übungen zunächst skeptisch gegenüberstand. Als der Sportlehrer ihm jedoch mitteilte, dass das Programm speziell von Physiotherapeuten entwickelt wurde, war er begeistert und motiviert. Ein intelligenter Mittelweg zwischen kompletter Inaktivität und intensivem Sport Für das Projekt war und ist nach wie vor viel Eigenengagement der Initiatoren notwendig, die eine Bottom-up-Strategie verfolgen. Alle involvierten Berufsgruppen sollen konkret an der Entwicklung beteiligt sein. Das ist der Garant für eine nachhaltige Ausweitung und den Fortbestand des Programms. Finanzielle Unterstützung bekam das Konzept vom Bundesamt für Sport (BASPO), was es unter anderem möglich macht, die steigende Nachfrage und die Ausweitung von «activdispens » zu bewältigen. Den Erfolg und die Zustimmung für das junge Konzept ist daran zu erkennen, dass es bereits in den Kantonen Fribourg, Graubünden und Zug flächendeckend auf den Stufen Sek I und Sek II Anwendung findet. Im Kanton Basel- Stadt ist die Umsetzung in Vorbereitung und schweizweit arbeiten bereits über 80 Schulen mit dem Programm. Trotzdem befindet sich «activdispens» laut Claudia Diriwächter, der Vize-Präsidentin der SART und Mitinitiatorin des Konzeptes, noch in der Startphase. Zukünftig sind Evaluationen geplant, welche den positiven Effekt von «activdispens» etwa an Messkriterien zur schnelleren Genesung oder weniger Fehlzeiten erheben. Laut Christoph Wechsler, ebenfalls Mitinitiator, Sportlehrer und Verantwortlicher für Weiterbildung beim SVSS, muss auch der Einsatz des Teildispensationsformulars seitens der Ärzte weiter kommuniziert werden, obwohl die Tendenz der abgegebenen Formulare in den Schulen steigend ist. Zusätzlich soll das Konzept in den Schulen noch weiter bekannt werden, weshalb weitere Schulungen an Schulen mit Sportlehrerinnen und Sportlehrern terminiert sind.
Kerngedanke bleibt die Prävention
Jugendliche sollen mit «acitvdispens» sensibilisiert werden, wie sie für ihre eigene Gesundheit das Selbstmanagement übernehmen können. Dieses Selbstmanagement stellt ein Werkzeug dar, welches sie später dazu befähigt, einen gesünderen Lebensstil zu leben und als Vorbeugung vieler chronischer Krankheiten gilt. «activdispens» ist in den Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar und wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Sportmedizin mit einem Preis ausgezeichnet. Um «activdispens» zukünftig gesamtschweizerisch und international zu präsentieren, sind die Entwicklung einer personalisierten App sowie die Übersetzung ins Englische und Rätoromanische in Arbeit. Beide Neuerungen wurden auf Ende 2016 erwartet.
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Kathrin Favero
Sektion Gesundheitsförderung
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