Sprunglinks

zurück

Gesundheitsfolgenabschätzung: (k)eine Alternative zur Nachhaltigkeitsbeurteilung

Ausgabe Nr. 83
Nov. 2010
Gesundheitsfolgenabschätzung

Forum Daniel Wachter. Gesundheitsförderung und nachhaltige Entwicklung haben viele Gemeinsamkeiten. Breit verstandene, auch die Lebensverhältnisse der Menschen einbeziehende Gesundheitsförderung berücksichtigt Gesundheitsdeterminanten, die sich mit den Postulaten einer nachhaltigen Entwicklung, wie sie etwa der Bundesrat in seiner diesbezüglichen Strategie von 2008 festhielt, stark überschneiden. Gesundheitsförderung und nachhaltige Entwicklung haben auch einen ähnlichen ethischen Grundgehalt, indem beide die Lebensqualität aller Menschen, also auch der benachteiligten, fördern wollen.

In der internationalen Nachhaltigkeitsdebatte sind die Gesundheitsfragen stets präsent, und wie die Weltgesundheitsförderungskonferenz zeigte, die vom 11. bis 15. Juli 2010 unter dem Titel «Health, Equity and Sustainable Development» in Genf stattfand, gilt dies auch in umgekehrter Richtung.

Wenn nun in der Schweiz, ausgelöst durch Versuche in einzelnen Kantonen und durch einen entsprechenden Vorschlag im Entwurf für ein Präventionsgesetz, mit steigender Intensität über die Einführung einer Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA) diskutiert wird, mit der politische Vorhaben frühzeitig auf ihre Auswirkungen auf die Gesundheit analysiert werden sollen, müssten die Vertreterinnen und Vertreter der nachhaltigen Entwicklung frohlocken, würde doch damit ein Instrument geschaffen, das auch ihre Anliegen unterstützt.

Jein lautet jedoch die vorläufige Antwort. Denn seit mehreren Jahren ist in der Schweiz ein ähnlich gelagertes Instrument, die Nachhaltigkeitsbeurteilung (NHB), entwickelt und zunehmend angewendet worden. Die Anwendungen haben gezeigt, dass die NHB die Anliegen der Gesundheitsförderung bestens abbilden kann. Wenn nun neu auch eine GFA hinzukommen soll, so in einem Umfeld, in dem noch weitere bereits bestehende oder geplante Folgenabschätzungen zu situieren sind (z. B. Regulierungsfolgenabschätzung, strategische Umweltprüfung, Energiefolgenabschätzung, Generationenverträglichkeitsprüfung, Raumverträglichkeitsprüfung). Jede dieser Folgenabschätzungen mag aus Sicht der einzelnen Politik berechtigt sein, in der Summe besteht aber die Gefahr eines politischen «Overkills», das heisst einer Abwehrreaktion der Politik gegenüber der prospektiven Folgenabschätzung ganz generell.

Konfrontiert mit einer vergleichbaren Situation in ihrem Zuständigkeitsbereich, hat die Europäische Kommission vor einigen Jahren eine überzeugende Entscheidung getroffen: Sie hat sämtliche sektorpolitischen Folgenabschät­zungen zugunsten des sogenannten Impact Assessment abgeschafft, das, wenn man die Prüfkriterien betrachtet, weitgehend einer NHB entspricht. Momentan ist in der Schweiz nicht absehbar, dass eine analoge Lösung angestrebt wird. Im Gegenteil besteht die Gefahr einer Multiplizierung der prospektiven Prüfansätze.

Grundsätzlich bin ich also der Meinung, dass wir uns besser auf die bereits bestehenden Instrumente, insbesondere die NHB, konzentrieren sollten. Allerdings ist aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung, wie einleitend aufgezeigt, aus inhaltlichen Gründen keine Opposition gegen eine GFA angezeigt. Sollte sie sich in der Schweiz verbreiten, worüber die Politik entscheiden wird, sollten wir uns jedoch anstrengen, die Einsatzfelder genau abzusprechen, Doppelspurigkeiten tunlichst zu vermeiden und einen möglichst engen Erfahrungsaustausch zu pflegen. Denn angesichts inhaltlicher und auch methodischer Gemeinsamkeiten können GFA und NHB gegenseitig durchaus von erheblichem Interesse sein.


Daniel Wachter
Sektionschef Sektion Nachhaltige Entwicklung
Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)

Nach oben