Gesundheitskompetenzen von Benachteiligten fördern
Jun. 2023Gesundheit und Soziales: Schnittstellen stärken
Sozial benachteiligte Menschen sind oft schwer zu erreichen. Doch Fachpersonen aus der Sozialberatung stehen mit ihnen im Kontakt. Ein neues Weiterbildungsmodul unterstützt sie bei der Förderung der Gesundheitskompetenzen ihrer Klientinnen und Klienten.
Wer eine hohe Gesundheitskompetenz aufweist, kann im Alltag Entscheide treffen, die für die eigene Gesundheit förderlich sind. Allerdings zeigen Befragungen, dass die Gesundheitskompetenz bei 49 Prozent der in der Schweiz lebenden Bevölkerung gering ist. Insbesondere sozial benachteiligte Personen haben es schwer, gesunde Entscheidungen zu treffen.
Ständiger Druck – und dementsprechend Stress
Für die Ende 2021 veröffentlichte Studie «Gesundheitskompetenz in herausfordernden Kontexten» haben sich die Autorinnen und Autoren sowohl mit Betroffenen wie auch mit Fachpersonen unterhalten, die in der Sozialberatung tätig sind. Aus den Gesprächen mit den sozial benachteiligten Menschen kristallisierte sich heraus, dass finanziell schwierige Verhältnisse einen ständigen Druck – und dementsprechend oft Stress – auslösen.
Trotzdem verfügten viele
Menschen, die über Jahre in schwierigen Verhältnissen leben, in Teilbereichen über eine überdurchschnittliche Gesundheitskompetenz, führt die Studie ins Feld. Denn sie wüssten etwa, wo sie günstige und trotzdem gesunde Lebensmittel kaufen könnten. Oder sie nutzten «Aufenthalte in der Natur als kostengünstige Möglichkeiten zur körperlichen Aktivität und Entspannung».
Wichtige Rolle der sozialberatenden Organisationen
Den in sozialberatenden Organisationen tätigen Fachpersonen weist die Studie eine wichtige Rolle zu. Denn sie stehen in Kontakt mit Personen in schwierigen Lebenslagen, die sonst oft nur schwer zu erreichen sind. Die Fachpersonen können zu einer verstärkten Gesundheitskompetenz von sozial benachteiligten Menschen beitragen, indem sie während der Beratungen etwa auf hilfreiche Angebote hinweisen und frühzeitig Unterstützungsmöglichkeiten vermitteln, halten die Autorinnen und Autoren der Studie fest.
Doch oft liege der Fokus in der Sozialberatung auf der Bewältigung akuter Probleme. Für das Beheben der Ursachen und das Entwickeln langfristiger Strategien fehle die Zeit. Deshalb gelte es, Fachpersonen aus der Sozialberatung bei der Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Klientel zu unterstützen.
Weiterbildung zu psychischer Gesundheit / Arbeitslosigkeit
Genau das bezweckt die von Santépsy.ch konzipierte Weiterbildung über psychische Gesundheit und Arbeitslosigkeit, die sich an Mitarbeitende in kantonalen Sozialdiensten oder regionalen Arbeitsvermittlungszentren richtet. «Wir haben das Projekt im Jahr 2021 während der Corona-Pandemie gestartet», sagt Alexia Fournier Fall, die bei der Commission de Prévention et de Promotion de la Santé (CPPS) in Lausanne interkantonale Projekte der lateinischen Schweiz koordiniert.
Die eintägige Weiterbildung lädt die Fachpersonen zuerst dazu ein, sich über die besonderen Herausforderungen von Langzeitarbeitslosen Gedanken zu machen. Und darüber, wie sich die Arbeitslosigkeit auf deren psychische Gesundheit auswirkt. Dann setzen sich die Teilnehmenden auch mit schützenden Faktoren auseinander, die etwa auf die Erhaltung des Selbstwertgefühls und des Vertrauens in die Fähigkeiten von Arbeitslosen ausgerichtet sind. Schliesslich lernen die Fachpersonen anhand von Fallbeispielen, wie sie verschiedene Alarmzeichen erkennen können. «Wir achten darauf, dass die Teilnehmenden während des ganzen Tages genügend Zeit und Gelegenheiten haben, um sich untereinander auszutauschen», führt Fournier Fall aus.
Ressourcen aus dem kantonalen Netzwerk
Die Weiterbildung will ein besseres Verständnis für die psychische Gesundheit schaffen. Die Teilnehmenden sollen sich nicht nur bewusst werden, welche psychischen Belastungen etwa aus einer längeren Erwerbslosigkeit hervorgehen können. Sie sollen auch lernen, wie sie in ihrer Begleitung diese Schwierigkeiten berücksichtigen und auf eine Stärkung der psychischen Gesundheit ihrer Klientinnen und Klienten abzielen können.
«Das Programm der Ausbildung ist sehr praxisbezogen», sagt Fournier Fall. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Fachpersonen auch weitere Ressourcen und Anlaufstellen im kantonalen Netzwerk kennen. Diese Kenntnisse werden jeweils am Schluss der Weiterbildung vermittelt.
Nach zahlreichen erfolgreich durchgeführten Weiterbildungen in der Westschweiz wurde der Inhalt der Ausbildung kürzlich für das Tessin ins Italienische und – dank finanzieller Unterstützung des BAG – auch ins Deutsche übertragen und an die jeweiligen Verhältnisse vor Ort angepasst.