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«Evivo tut gut!»

Ausgabe Nr. 115
Jan. 2017
Prävention in der Gesundheitsversorgung

Forum Dr. Jörg Haslbeck. Ganz offen vorneweg: Ich bin ein Fan von Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit, v. a., wenn dabei «peers» beteiligt werden, also Personen, die wegen ähnlicher Krankheits- und Alltagserfahrungen in vergleichbaren Lebenssituationen sind. Was Selbstmanagement ist, lässt sich schnell beantworten: Alles, was Patienten und Angehörige jeden Tag tun, um mit einer Krankheit und ihren Folgen umzugehen. Werden sie hier von Fachpersonen und «peers» unterstützt, nennt sich das Selbstmanagementförderung. Dies greift jetzt die NCD-Strategie 2017–2024 auf. Unter anderem sollen solche Selbstmanagementangebote für chronisch Kranke gefördert werden – und zwar mit Einbezug der Betroffenen.

Als «good practice»-Beispiel listet die NCD-Strategie einen «Klassiker» unter den Selbstmanagementprogrammen auf, der an der Stanford Universität (USA) entwickelt wurde und in der Schweiz umgesetzt wird: Evivo «Gesund und aktiv leben» (www.evivo.ch). Der sechswöchige, interaktive Kurs vermittelt Gesundheitsinformationen und fördert Kompetenzen, um Betroffene zu unterstützen, Experten im Umgang mit der eigenen Erkrankung zu werden. Passgenau für die NCD-Strategie. Was Evivo auf den Punkt bringt: international etabliert, evidenzbasiert, strukturiert, krankheitsübergreifend, peer-geleitet. Ausserdem ist es relevant für die Sekundär- und Tertiärprävention, weil der Kurs z. B. das Ernährungs- und Bewegungsverhalten, den Umgang mit Symptomen, die Zusammenarbeit mit Gesundheitsfachpersonen sowie Selbstwirksamkeit positiv zu beeinflussen vermag. Diese Wirkung spiegelt sich in den Aussagen derer wieder, die am Kurs teilnehmen oder diesen leiten. Zum Beispiel war kürzlich auf dem jährlichen Kursleitungstreffen des Vereins «Evivo Netzwerk» zu hören: «Evivo tut gut!» oder man sei beeindruckt, wie die Leute mitarbeiten, «aufblühen» und selbst etwas bewegen.

Das ermutigt, diesen «peer»-Ansatz weiteren Zielgruppen zugänglich zu machen. Aktuell geht ein vom Bundesamt für Gesundheit BAG gefördertes Praxisentwicklungsprojekt der Frage nach, wie mit einer vereinfachten Evivo-Kursversion jene Menschen besser erreicht werden können, die sozial benachteiligt sind und erschwerten Zugang zu Angeboten des Gesundheitswesens haben, z. B. Menschen mit Migrationshintergrund. Eine gerade gestartete Pilotstudie wiederum wird den Evivo-Ansatz spezifisch für Frauen mit Brustkrebs adaptieren, um ihn bei entsprechendem Wirksamkeitsnachweis später an Schweizer Brustkrebszentren nutzen zu können. Dieses Referenzprojekt der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014–2017 wird von der Krebsforschung Schweiz und der Lindenhof Stiftung Bern gefördert. Es ist schweizweit insbesondere durch seinen partizipativen Ansatz einzigartig: An allen Phasen dieser Studie sind Patientinnen beteiligt, sei es bei der Planung, Antragstellung (eine Patientenvertreterin ist Mitantragstellerin!), Durchführung als auch zukünftigen Auswertung und Ergebnisdissemination (http://blog.careum.ch/self-managementbreast- cancer/).

Rund um das Evivo-Kursprogramm gibt es also vielversprechende Entwicklungen, die allesamt dazu beitragen können, in der Schweiz Bildungsangebote und evidenzbasierte Präventionsmassnahmen erfolgreich ein- und umzusetzen. Abzuwarten bleibt, wie solche Selbstmanagementangebote schlussendlich nachhaltig etabliert werden. Trotz internationaler Evidenz, vielversprechender hiesiger Befunde und dem Mehrwert für die Kursteilnehmenden findet dieser Ansatz im Vergleich zum Ausland eher langsam seinen Weg in die Schweizer Versorgungslandschaft. Eine intensivere Integration und nachhaltige Finanzierung solch krankheitsübergreifender Selbstmanagementangebote sind überfällig, die gesundheitspolitisch mittlerweile gewünscht, aber versorgungspraktisch noch stärker zu verankern sind.

Zur Person

Dr. Jörg Haslbeck, Programmleiter Kompetenzzentrum Patientenbildung, Careum Forschung, Forschungsinstitut der Kalaidos Fachhochschule Gesundheit, Zürich

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