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Suchtprävention in KMU: Wo liegt das Potenzial?

Ausgabe Nr. 113
Mai. 2016
Psychische Gesundheit

Betriebliche Prävention. Etwa zwei Millionen Menschen arbeiten in der Schweiz in kleinen und mittleren Unternehmen. Ein grosser Teil der Bevölkerung könnte also im Arbeitsalltag mit Präventionsthemen erreicht werden, insbesondere die vielen jungen Menschen, die eine Lehre in einer KMU absolvieren. Aber wird diese Möglichkeit auch genutzt? Zwei Studien von Sucht Schweiz sind dieser Frage nachgegangen.

Mit dem Ziel, bestehende Aktivitäten und Bedürfnisse im Bereich Suchtprävention in KMU im Allgemeinen und bei Lernenden in KMU im Speziellen zu erheben, hat Sucht Schweiz im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) zwei Untersuchungen durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde eine quantitative Umfrage zu Sucht-prä-vention in mikro-, klein- und mittelständigen Betrieben durchgeführt. Danach wurde eine Bedarfs- und Bedürfnisanalyse zur Suchtprävention bei Lernenden in KMU erarbeitet, da der aktive Jugendschutz ein wichtiges Ziel des NPA ist.  

Tiefer Stellenwert

Betriebliche Suchtprävention hat bei den KMU einen eher tiefen Stellenwert. Die meisten der 875 befragten Betriebe sehen sich nicht für Suchtprävention zuständig und handeln erst dann, wenn Probleme auftreten. Nur in jedem vierten Betrieb (26,5%) des tertiären und in 15% der Betriebe des sekundären Sektors bestanden zum Zeitpunkt der Befragung suchtpräventive Massnahmen. Die überwiegende Mehrzahl (80,5%) dieser Betriebe verfügte dabei über Regeln oder Vereinbarungen zum Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz.

Als Grund für fehlende suchtpräventive Massnahmen wurde am häufigsten die Abwesenheit von Suchtprobleme angegeben. Weitere Gründe waren mangelndes Fachwissen und kein Kontakt zu externen Anbietern. Interessanterweise wurden fehlende Zeit, fehlender Glaube an die Wirksamkeit und mangelnde Bereitschaft, Geld zu investieren, von der Mehrheit der Betriebe nicht als Grund für fehlende Prävention angegeben. Das zeigt, dass die Mehrheit der Betriebe dem Thema grundsätzlich offen gegenübersteht.

Die Bedarfs- und Bedürfnisanalyse zur Suchtprävention bei Lernenden in KMU hat gezeigt, dass bei den meisten Betrieben nur mündliche oder implizite Regeln zum Substanzkonsum bestehen. Wenn spezifische Regelungen für Lernende existieren, betreffen diese vor allem den Konsum von Alkohol oder Tabak und sind strenger als für die übrigen Mitarbeitenden. Ein paar Betriebe verteilen Broschüren und Flyer.  

Präventionsangebote für Lernende

Es gibt einige Suchtpräventionsangebote, mit denen Lernende erreicht werden sollen. Das geht aus der Recherche hervor, die im Rahmen der Bedarfs- und Bedürfnisanalyse zur Suchtprävention bei Lernenden durchgeführt wurde. Die meisten richten sich an Berufsschulen oder an die Lehrbetriebe, nur wenige direkt an die Lernenden. Die Befragten haben einen geringen Bedarf für zusätzliche Angebote, allerdings fehlt es an einer Übersicht über die bestehenden Materialien und Möglichkeiten.

Im betrieblichen Umfeld sind Präven-tionsangebote im engeren Sinne selten – der Fokus liegt mehrheitlich auf der Unterstützung der Lehrbetriebe im Umgang mit (sucht-)gefährdeten Mitarbeitenden im Sinne der Früherkennung und Frühintervention. Einige kantonale Suchtpräventionsstellen bieten Beratung und Schulung für Vorgesetzte an. Diese beziehen sich aber generell auf betriebliche Suchtprävention und nicht spezifisch auf Lernende. Weiterbildungen für Lehrpersonen in Berufsschulen werden nur vereinzelt angeboten.

Die Mehrheit der 28 im Rahmen der Recherche gefundenen Suchtpräventionsangebote sind substanzunspezifisch. Ausnahmen sind beispielsweise das Projekt «Rauchfreie Lehre» der Lungenliga und der Workshop «Kurzinterven-tion Rauschtrinken an Berufsschulen» der Suchtprävention Zürcher Oberland. Ungefähr ein Viertel der Angebote bezieht auch weitere Themen der Gesundheitsförderung mit ein. Die Fachstelle «Am Steuer Nie» (ASN), die Unfallversicherungsanstalt SUVA und RoadCross Schweiz thematisieren Suchtprävention im Kontext der Unfallverhütung. Daneben existieren Unterrichtsmaterialien für Mittelschülerinnen und -schüler sowie Informationswebsites.  

Expertenempfehlungen

Für die Bedarfs- und Bedürfnisanalyse befragte Sucht Schweiz auch Expertinnen und Experten von Suchtpräven-tionsfachstellen, kantonalen Mittelschulämtern und Berufsschulen sowie Lehrlingsverantwortliche in den Betrieben. Generell befürworten die Befragten eine engere Zusammenarbeit zwischen den Berufsschulen und den Lehrbetrieben. Sie erachten auch die Eingliederung der Gesundheitsförderung und der Prävention in das Ausbildungskonzept der Berufsschulen sowie die Stärkung der Ausbildungsverantwortlichen in ihrer Betreuungsfunktion als sinnvoll. Weiter halten sie fest, dass klare Regeln hinsichtlich des Konsums von psychoaktiven Substanzen die Ausbildungsverantwortlichen in ihrer Aufgabe unterstützen. Solche Regeln müssten jedoch für das gesamte Personal gelten, nicht nur für die Lernenden. Die Expertinnen und Experten empfehlen zudem, für Vorgesetzte und Personalverantwortliche einfach abrufbare Adresslisten von kantonalen Suchtfachstellen und «best practices» zu erstellen, beispielsweise einer Website. So können sich Interessierte bei Bedarf informieren und rasch herausfinden, wer sie bei Problemen beraten kann.  

Wie weiter?

Da Suchtprävention in den KMU bisher keine hohe Priorität geniesst, ist es schwierig, im Arbeitskontext Präven-tionsanliegen zu verankern. Um das grosse Präventionspotenzial gerade bei Jugendlichen trotzdem auszuschöpfen, ist zu prüfen, ob Suchtprävention in KMU vermehrt über die Aus- und Weiterbildung der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sowie der Lehrlingsverantwortlichen im Betrieb etabliert werden kann. Zentral dafür ist die Zusammenarbeit zwischen Berufsschule, Berufsbildungsamt, Betrieb und allenfalls spezifischen Fachstellen.

Gute Angebote zur Suchtprävention existieren bereits. Der Fokus für die Zukunft sollte daher darauf liegen, diese bekannt zu machen. Da für die Mehrheit der KMU die Arbeitssicherheit wichtig ist, wäre die Idee zu überprüfen, Präventionsaktivitäten im Rahmen von Arbeitssicherheitsschulungen oder im Zusammenhang mit anderen Gesundheitsthemen (z.B. psychische Gesundheit) in die Unternehmen einzubringen. Nicht zuletzt wäre es sinnvoll, niederschwellig zugängliche Unterlagen wie Gesprächsleitfäden oder Adresslisten mit Fachstellen zum Umgang mit Suchtmittelproblemen für KMU bereitzustellen – insbesondere für kleine Betriebe.

Die Untersuchungen

«Suchtprävention in mikro-, klein- und mittelständigen Betrieben: Ergebnisse einer Umfrage in schweizerischen KMU», Sucht Schweiz, 2014.

«Suchtprävention bei Lernenden. Eine Bedarfs- und Bedürfnisanalyse bei KMU», Sucht Schweiz, 2015.  

Link: www.suchtschweiz.ch

Kontakt

Dorothee Minder, Sektion Alkohol,  

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