Suizidprävention in der Schweiz macht Fortschritte
Dez. 2022Suizidprävention
Leitartikel. Zwischenhalt beim Aktionsplan Suizidprävention. Im Jahre 2016 ist der Aktionsplan gestartet mit dem Ziel, die Anzahl der Suizide und der Suizidversuche in der Schweiz zu reduzieren. Wie ist der aktuelle Stand? Wo wurden Fortschritte erzielt? spectra wirft einen Blick auf die Suizidprävention in der Schweiz.
Suizide sind ein gravierendes Problem – weltweit wie auch in der Schweiz. Suizid verursacht global mehr Tote als beispielsweise Malaria oder Brustkrebs. Insgesamt verloren im Jahr 2019 gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO 700 000 Menschen ihr Leben durch Suizid. Global ist Suizid damit bei den 15- bis 29-jährigen Männern die vierthäufigste Todesursache, bei den gleichaltrigen Frauen liegt Suizid auf Platz 3 der Todesursachen.
Auch die Schweiz ist betroffen: Zwar gehen die Suizidraten hierzulande seit den 1980er-Jahren zurück, trotzdem sterben in der Schweiz jeden Tag etwa drei Menschen durch Suizid, 75 Prozent davon sind Männer. Suizide gehören nach Krebs- und Kreislauferkrankungen zu den häufigsten Gründen für frühzeitige Sterblichkeit (gemessen in verlorenen potenziellen Lebensjahren). Ausserdem haben sie immer Auswirkungen auf Hinterbliebene wie Angehörige, Freunde und das weitere Umfeld.
Suizidalität kann alle treffen
Suizidalität, das heisst suizidales Erleben und Verhalten, kann jede und jeden treffen: ob Mann oder Frau, alt oder jung, arm oder reich. Oft entsteht Suizidalität durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie existenzielle Krisen, bedrohte Beziehungen oder Mobbing, das zur Eskalation führt. Suizidalität ist eine menschliche Reaktion auf grosses Leid und ist oft gekoppelt mit einer Depressionssymptomatik. Suizidale Menschen wollen aber meistens nicht sterben.
Suizidprävention wirkt
Suizide können daher verhindert werden – durch rechtzeitige, evidenzbasierte Massnahmen. Wichtig ist hier der Einbezug aller Gesellschaftsbereiche: Gesundheits-, Sozial-, Bildungs-, Bau- oder Polizeiwesen. Um den Akteuren einen gemeinsamen Orientierungsrahmen zu liefern, haben Bund und Kantone im Auftrag der eidgenössischen Räte gemeinsam mit der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und vielen weiteren Akteuren 2016 den Aktionsplan Suizidprävention erarbeitet.
Der Aktionsplan will einen Beitrag zur Reduzierung von suizidalen Handlungen leisten. Ziel ist es, die Rate an Suiziden in der Schweiz bis ins Jahr 2030 um 25 Prozent zu senken (verglichen mit 2013). Der Aktionsplan umfasst 10 Ziele und 19 Schlüsselmassnahmen. Viele Akteure sind im Bereich der einzelnen Schlüsselmassnahmen aktiv und oft kann auf Bestehendem aufgebaut werden. Das BAG unterstützt die Akteure bei der Umsetzung der Massnahmen durch Vernetzungs- und Koordinationsarbeit sowie durch das Erarbeiten von Wissensgrundlagen.
Fünf Jahre nach Start des Aktionsplans hat das BAG eine Studie in Auftrag gegeben, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Das Evaluationsbüro Infras führte in der Folge eine Ist-Analyse zum Stand der Aktivitäten in der Schweiz durch, sprach mit Akteuren und entwickelte Empfehlungen für die weitere Umsetzung.
Suizide können verhindert werden – durch rechtzeitige, evidenzbasierte Massnahmen. Wichtig ist hier der Einbezug aller Gesellschaftsbereiche: Gesundheits-, Sozial-, Bildungs-, Bau- oder Polizeiwesen.
Es bleibt noch viel zu tun
Der Bericht zum Zwischenstand zeigt, dass in manchen Bereichen des Aktionsplans wesentliche Fortschritte erzielt wurden und der Grad der Zielerreichung hoch ist, etwa jene Ziele, die Hand in Hand gehen mit der Förderung der psychischen Gesundheit im Allgemeinen. Hier gibt es etablierte Akteure sowie viele Kantone, die sich engagieren: So haben zum Beispiel fast alle Kantone ein Aktionsprogramm mit dem Akzent auf die Ressourcenstärkung und es gibt in der Schweiz viele Webplattformen, die über psychische Gesundheit informieren, Hilfsangebote bekannt machen und auch auf das Thema Suizidalität eingehen.
Umgekehrt gibt es Ziele, bei denen nur vereinzelte Initiativen identifiziert werden konnten und bei denen der Zielerreichungsgrad auf nationaler Ebene als gering eingeschätzt wurde (siehe Tabelle 1). Dies insbesondere im Hinblick auf die Reduktion der Verfügbarkeit suizidaler Mittel und Methoden, die Nachsorge von Hinterbliebenen nach Suizid sowie im Bereich von Forschung und Daten. Letzteres ist mit ein Grund, warum die Ist-Analyse zum Zwischenstand keine umfassende Evaluation im Sinne einer Wirkevaluation sein konnte.
Als Herausforderung beschreibt der Bericht etwa die grossen regionalen Unterschiede in der Umsetzung oder dass vulnerable Gruppen noch ungenügend erreicht werden. Weiter halten die Autorinnen und Autoren fest, dass das Feld an Akteuren in der Suizidprävention im Vergleich zu anderen Präventionsbereichen sehr breit ist, was eine besondere Herausforderung für eine koordinierte Suizidprävention darstellt. Dies steht im Kontrast zu den – wie der Bericht festhält – oft knappen Ressourcen. Daher gelte es auch, noch vermehrt Synergien zwischen der Suizidprävention und anderen Präventionsaktivitäten zu nutzen, z.B. bei der Prävention nichtübertragbarer Krankheiten, der Suchtprävention, der Gewaltprävention oder der Armutsbekämpfung.
Tabelle 1: Stand Umsetzung Nationaler Aktionsplan Suizidprävention (pro Handlungsfeld) Grafik anzeigen
Ausblick Aktionsplan
Wie geht es nun weiter mit dem Aktionsplan? Das BAG hat mit ausgewählten Akteuren (Kerngruppe) die Berichtergebnisse, die künftige Zusammenarbeit und die Aufgabenverteilung diskutiert. Basierend auf diesem Austausch hat die Kerngruppe im September 2022 ihr Engagement in der Suizidprävention 2022–2024 festgelegt. Der Kerngruppe gehören an: die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (GFCH), das Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz (NPG) sowie das BAG (übernimmt die Koordination).
Die Kerngruppe fokussiert ihre Aktivitäten auf sieben Handlungsfelder. Diese haben in der Umsetzung enge Schnittstellen, um Synergien noch besser zu nutzen. Die Handlungsfelder werden ergänzt durch Querschnittsaufgaben in der Koordination und Vernetzung (siehe Tabelle 2). Für detaillierte Informationen zu den geplanten Aktivitäten 2022–2024 siehe Link am Ende des Artikels.
Tabelle 2: Überblick über das geplante Engagement der Kerngruppe für die Jahre 2022 bis 2024. Grafik anzeigen
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