Wie gesund sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Schweiz?
Sep. 2020Kinder und Jugendliche
Neun von zehn Schulkindern stufen ihre eigene Gesundheit als gut bis ausgezeichnet ein. Doch etwa ein Fünftel der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist übergewichtig oder lebt mit einer chronischen Erkrankung wie Heuschnupfen, Neurodermitis oder Bluthochdruck. Für verlässliche Aussagen zur Gesundheit von Kindern (insbesondere unter zehn Jahren) muss die Datenlage verbessert werden.
Auf die Frage «Wie würdest du deinen Gesundheitszustand beschreiben?» antwortet etwa die Hälfte der Schulkinder in der Schweiz mit «ausgezeichnet» – und knapp nochmals so viele der 11-Jährigen und ein Drittel der 15-Jährigen mit «gut». Die Resultate der internationalen HBSC-Studie (die Abkürzung steht für Health Behaviour in School Children, siehe Kasten) stimmen auch mit der nationalen Gesundheitsbefragung überein: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Schweiz schätzen ihren Gesundheitszustand erfreulich positiv ein.
Den Empfehlungen für Bewegung folgt die grosse Mehrheit der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, doch danach sinkt die körperliche Aktivität mit zunehmendem Alter. Bei den 11- bis 15-Jährigen bewegen sich nur noch 17,5 % der Jungen und 10,6 % der Mädchen intensiv während mindestens einer Stunde pro Tag, obwohl die meisten von ihnen auch ausserhalb der Schule Sport betreiben. Auch junge Erwachsene geben meistens an, körperlich aktiv zu sein, dazu liegen allerdings keine verlässlichen Zahlen vor.
Vor einem Schultag schlafen 14- bis 15-Jährige im Schnitt rund acht Stunden. Doch viele Jugendliche und junge Erwachsene haben Schlafstörungen. Seit 2002 steigt der Anteil der 11- bis 16-Jährigen mit psychoaffektiven Beschwerden wie etwa Müdigkeit und Einschlafschwierigkeiten. Zeitlich korreliert diese Entwicklung mit der zunehmenden Nutzung von digitalen Medien. Heute beginnt die Nutzung im Vorschulalter mit Fernsehen, Hörspielen und Tablets, spätestens ab der Oberstufe überwiegt dann die Nutzung des Internets und des eigenen Smartphones. Der exzessive Gebrauch von digitalen Medien kann zu Bewegungsmangel und Übergewicht, aber auch zu Einsamkeit und Depression führen. Aus methodischen Gründen sind viele Studienbefunde mit Vorsicht zu geniessen.
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) erarbeitete unter Einbezug eines Expertengremiums mit breitem Fach- und Praxiswissen die vierte Ausgabe des Nationalen Gesundheitsberichts, der im Jahr 2020 den Fokus auf die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen legt. Der Bericht wurde am 27. August 2020 veröffentlicht. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass schätzungsweise ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen entweder ein chronisches Gesundheitsrisiko wie etwa Übergewicht aufweist oder mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung lebt. Zu den häufigsten chronischen Krankheiten, an denen bis zu 5 % der Kinder und Jugendlichen leiden, zählen Störungen des Immunsystems wie etwa Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis. Ungefähr gleich viele junge Menschen sind von erhöhten kardiovaskulären Risiken wie Übergewicht und Bluthochdruck betroffen.
Für den Bericht sollten die Autorinnen und Autoren national repräsentative Datenquellen aufarbeiten. Aber: Die Datenlage war oft mager. In der Schweiz werden zum Beispiel nicht alle Indikatoren erhoben, die von der europäischen Geburtsstatistik empfohlen werden. Ob sich die international zu beobachtende Zunahme der Kurzsichtigkeit auch bei den Kindern und Jugendlichen hierzulande spiegelt oder ob chronische Schmerzen ein relevantes Public-Health-Problem sind, kann mangels Daten nicht verifiziert werden. Zu den Empfehlungen des Berichts gehört denn auch, epidemiologische Daten für Kinder bis zum 10. Altersjahr schweizweit einheitlich zu sammeln – und so die Datengrundlagen zu schaffen, um etwa Massnahmen der Gesundheitsförderung evaluieren zu können.
Health Behaviour in School-aged Children
Im Rahmen der internationalen HBSC-Studie werden Schulkinder alle vier Jahre in über 40 (mehrheitlich europäischen) Ländern über ihr Gesundheitsverhalten befragt. In der Schweiz wird die Befragung seit 1986 durchgeführt, die aktuellsten Daten stammen aus dem Jahr 2018, als 11 121 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 11 und 15 Jahren freiwillig und anonym Auskunft gaben. Drei Viertel der befragten Jugendlichen haben ein normales Körpergewicht, je etwa ein Achtel wiegt entweder zu wenig oder zu viel. Trotzdem war nur die Hälfte – die Jungen etwas mehr als die Mädchen – mit ihrem Körpergewicht zufrieden. Während sich Mädchen öfters als zu dick sehen, finden Jungen eher, dass sie zu dünn seien. Weil in der Adoleszenz wichtige Weichen in der Identitätsfindung gestellt würden, sei es wichtig, die Jugendlichen darin zu unterstützen, ein positives Bild ihres (sich fortlaufend entwickelnden) Körpers zu gewinnen, schliesst der neu veröffentlichte HBSC-Studienbericht aus der Schweiz.