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Wie soll die ambulante Versorgung im Jahre 2040 ausgestaltet sein?

Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung bei der Gesundheitsversorgung vor allem auf Kontinuität setzt. Überraschend ist, dass die Ausbildung der Gesundheitsfachperson bei den befragten Personen nicht immer an erster Stelle steht.

Die ambulante Grundversorgung wird sich in den nächsten zwanzig Jahren substanziell verändern. Ursachen dafür sind die steigende Zahl älterer Menschen sowie die zunehmende Prävalenz chronischer Krankheiten. Dies führt dazu, dass der Bedarf an ambulant erbrachten Dienstleistungen zunehmen wird. Dieser Trend wird durch die medizinisch-technische Entwicklung unterstützt, die es zunehmend ermöglicht, Leistungen ambulant anstatt stationär zu erbringen.

Andererseits ist ein wachsender Mangel an Gesundheitsfachpersonen absehbar. Das bereits bestehende Personalproblem wird dadurch verschärft, dass jene, die aktuell noch im Berufsleben stehen, ein relativ hohes Durchschnittsalter haben. Es zeichnet sich ab, dass trotz grosser Bemühungen auch mittelfristig mehr Gesundheitsfachpersonen aus dem Gesundheitsbereich ausscheiden als eintreten.

Die Präferenzen untersuchen

In welche Richtung soll sich die ambulante Versorgung weiterentwickeln? Die gesundheitspolitische Strategie des Bundesrates 2030 sieht vor, dass die Präferenzen der Patientinnen und Patienten im Zentrum der künftigen Ausgestaltung stehen sollen. Allerdings ist relativ wenig darüber bekannt, welche Vorlieben die Patientinnen und Patienten diesbezüglich haben. Eine neue Studie der Universität Luzern und Interface trägt dazu bei, diese Wissenslücke zu schliessen. Sie ist im Rahmen des universitären Forschungsprojekts «Health2040» entstanden , das Bundesamt für Gesundheit hat die Realisierung dieser Studie unterstützt. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung: Insgesamt haben 5353 Personen an der Online-Befragung teilgenommen (Rücklaufquote: 44,3 %). Die Stichprobe repräsentiert die Schweizer Bevölkerung insgesamt sehr gut.


Mit einem experimentellen Ansatz wurden die Befragten gebeten, ihre Präferenzen für unterschiedliche Versorgungsmodelle abzugeben. Entsprechend wurden die Personen zum Beispiel gefragt, was sie sich in bestimmten Situationen – etwa bei akuten Ohrenschmerzen oder einer Routineuntersuchung – wünschen. Also was ist ihnen in diesen Fällen besonders wichtig? Die Befragung fokussierte auf verschiedene Merkmale:

  • Erste Kontaktstelle bei einem Behandlungsbedarf
  • Art der Kontaktaufnahme bei einem Behandlungsbedarf
  • Öffnungszeiten des Versorgungsangebots
  • Profil der hauptverantwortlichen Behandlungsperson
  • Kontinuität der Behandlung
  • Einbezug der Patientinnen und Patienten in Behandlungsentscheide
  • Profil der koordinierenden Gesundheitsfachperson
  • Instanz der Zuteilung der koordinierenden Gesundheitsfachperson

Die Ergebnisse zeigen, dass die Gesamtbevölkerung dem Merkmal «Kontinuität» die grösste Bedeutung schenkt. Die Befragten legen also grossen Wert darauf, dass die behandelnde Gesundheitsfachperson die Patientin oder den Patienten kennt und Einblick in ihr Patientendossier hat. Entsprechend zeigen die befragten Personen bei diesem Merkmal die grösste Zahlungsbereitschaft (vgl. Grafik). Gleiches gilt für die Gruppe der unter 50-jährigen Personen. Für Personen mit einer chronischen Erkrankung ist das Profil der Behandlungsperson im Falle von akuten Beschwerden das wichtigste Merkmal einer ambulanten Versorgung.

Grafik: Relevanz der Merkmale im Falle von akuten gesundheitlichen Beschwerden

Bei einer Routineuntersuchung sind die Präferenzen der Befragten ausgeprägter als bei einem akuten gesundheitlichen Problem. Im Falle einer Routineuntersuchung messen die Gesamtbevölkerung, Personen mit einer chronischen Krankheit und die unter 50-Jährigen den Merkmalen «Kontinuität der Behandlung» und «Mitentscheidung» mit Abstand die grösste Bedeutung zu. Interessant ist zudem, dass die Gesamtbevölkerung sowohl im Falle eines akuten gesundheitlichen Problems als auch bei Routineuntersuchungen dem fachlichen Hintergrund der Untersuchungs- oder Behandlungsperson «nur» mittlere Bedeutung beimisst.  

Impulse für die Entwicklung neuer Modelle

Die grosse Mehrheit der Befragten plädiert für die Hausärztin oder den Hausarzt als erste Kontaktstelle – auch in Zukunft. Dies war zu erwarten. Die sozialwissenschaftliche Forschung spricht in diesem Zusammenhang vom «Status Quo Bias»: Menschen neigen dazu, die aktuelle Situation gegenüber einer unbekannten neuen Situation zu bevorzugen. Die Befragung zeigt weiter, dass der Art des Erstkontaktes und den Öffnungszeiten keine hohe Priorität beigemessen wird. Spannend ist zudem, dass insbesondere Pflegefachpersonen mit Hochschulabschluss und Fachpersonen Gesundheit mit Lehrabschluss als Alternativen zur Hausärztin oder zum Hausarzt als erste Kontaktstelle akzeptiert werden. Auch bezüglich untersuchende oder behandelnde Person liegt die Präferenz der Bevölkerung beim Hausarzt oder bei der Hausärztin. Wie aber bereits erwähnt, wird dem Merkmal «Behandlungs- und Untersuchungsperson» im Allgemeinen nur eine mittlere Relevanz zugemessen. Teile der Bevölkerung zeigen sich somit offen für Alternativen zur Hausärztin oder zum Hausarzt als untersuchende oder behandelnde Person. Auf Interesse stösst beispielsweise der Vorschlag der Behandlung durch eine Pflegefachperson mit Hochschulabschluss, die durch eine digital zugeschaltete Hausärztin oder einen Hausarzt angewiesen wird. 

Diese Offenheit für alternative Untersuchungs- und Behandlungspersonen eröffnet der Gesundheitspolitik Spielräume für die Erprobung innovativer Versorgungsmodelle mit der Einschränkung, dass in jedem Fall Wert auf die Kontinuität der Behandlung und die Möglichkeit zur Mitbestimmung gelegt werden muss. In einer analogen Studie untersucht die Forschungsgruppe nun die Präferenzen von Gesundheitsfachpersonen im Hinblick auf die ambulante Versorgung. Dadurch wird es möglich, die Zukunft der ambulanten Gesundheitsversorgung sowohl an den Präferenzen der Bevölkerung wie auch an jenen der Gesundheitsfachpersonen auszurichten.

Quellen

Kaufmann, Cornel; Föhn, Zora; Balthasar, Andreas (2021): Zukünftige ambulante Grundversorgung: Einstellungen und Präferenzen der Bevölkerung. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan), Obsan Bericht 04/2021, Neuchâtel.

ISBN 978-2-940670-14-7
Link zur Studie 

Kontakt

Lea von Wartburg
Leiterin Sektion Nationale Gesundheitspolitik

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