Womit vertreiben sich Jugendliche im Internet die Zeit?
Zwei Drittel der 11- bis 15-Jährigen in der Schweiz sind täglich auf den sozialen Medien aktiv, ein Fünftel spielt jeden Tag Online- oder Videospiele. Eine Minderheit zeigt ein problematisches Nutzungsverhalten.
Auf einen Blick
- 2022 waren etwa 82 Prozent der 11- bis 15-jährigen Jugendlichen in der Schweiz täglich online – aus Spass, um sich auszutauschen, zu lernen oder sich zu informieren.
- Rund 20 Prozent der Jugendlichen spielten jeden Tag Online- oder Videospiele und etwa 65 Prozent waren täglich auf den sozialen Netzwerken aktiv.
- Ein problematisches Nutzungsverhalten weisen 3 Prozent der 14- und 15-jährigen Gamerinnen und Gamer und etwa 7 Prozent der 11- bis 15-Jährigen, die in sozialen Netzwerken unterwegs sind, auf.
Die internationale Studie «Health-Behaviour in School-aged Children» (HBSC) befasst sich mit der Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten von 11- bis 15-jährigen Schülerinnen und Schülern. Sie wurde 2022 in der Schweiz zum zehnten Mal durchgeführt (siehe Kasten).
Die HBSC-Studie
Die internationale Studie «Health-Behaviour in School-aged Children» (HBSC) steht unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation (WHO-Europe) und wird alle vier Jahre durchgeführt. In der Schweiz ist seit 1986 Sucht Schweiz für die Studie zuständig, die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den meisten Kantonen finanziert wird.
Es handelt sich um eine repräsentative Monitoring-Studie auf nationaler Ebene über die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Jugendlichen im Alter von 11 bis 15 Jahren. Für die nationale Studie 2022 wurden 857 Klassen des 5. bis 9. Schuljahres (7. bis 11. Jahr HarmoS) aus der ganzen Schweiz zufällig ausgewählt, woraus 636 Klassen (9345 Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 15 Jahren) teilnahmen, was einer Beteiligungsquote von 74,2 Prozent entspricht.
Die Erhebung basierte auf einem standardisierten Papierfragebogen, den die Teilnehmenden zwischen März und Juni 2022 in der Klasse ausgefüllt haben. Die Teilnahme war freiwillig (mit Zustimmung der Eltern) und die Antworten wurden streng vertraulich behandelt.
Im Fokus stehen unter anderem das Online-Verhalten und die «problematische Nutzung» von Online- und Videospielen und sozialen Netzwerken. Unter problematischer Nutzung versteht man einen Kontrollverlust in Bezug auf die in diese Aktivitäten investierte Zeit, in Kombination mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Beziehungen zum näheren Umfeld und die Schule.
Eine problematische Nutzung kann dabei auf eine Suchterkrankung hindeuten. So führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die «Gaming disorder» als offizielle Diagnose in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) auf. Keine spezifische Diagnose nennt die WHO hingegen in Bezug auf soziale Netzwerke.
Eine Suchtstörung kann allerdings nicht anhand der Antworten einer breit angelegten Schülerbefragung wie der HBSC abgelesen werden, sondern muss im klinischen Umfeld diagnostiziert werden.
Online aus Spass, um zu lernen und sich auszutauschen
Im Jahr 2022 waren etwa 82 Prozent der 11- bis 15-jährigen Jugendlichen in der Schweiz täglich online (81% bei den Jungen und 84 % bei den Mädchen): Etwa 65 Prozent nutzten dabei soziale Netzwerke, und rund 48 Prozent hörten Musik, Radio oder einen Podcast. Ein Fünftel spielte Games und ein weiteres Fünftel streamte Filme oder Serien. Rund 10 Prozent gaben an, täglich Hausaufgaben mithilfe des Internets zu machen.
In Bezug auf die Geschlechter lässt sich sagen: Der Anteil der Mädchen, die jeden Tag auf den sozialen Netzwerken aktiv waren oder Musik, Radio oder Podcasts hörten, war höher als jener der Jungen. Dafür war bei Letzteren das tägliche Gamen verbreiteter.
Etwa 17 Prozent der 11- bis 15-Jährigen standen praktisch den ganzen Tag online in Kontakt, das heisst, wann immer es möglich ist. Bei den Mädchen betrug der Anteil 19 Prozent, bei den Jungen 16 Prozent (siehe Grafik).
Problematischer Konsum von Games...
Games sind für viele junge Menschen Unterhaltung und Spass zugleich. Sie ermöglichen es ihnen, sich mit ihren Freunden auszutauschen, sie stärken das Zugehörigkeitsgefühl einer Gemeinschaft und bieten die Möglichkeit, Fertigkeiten zu verbessern. Im Jahr 2022 gamte ein Fünftel der 11- bis 15-Jährigen täglich, wobei die Anteile zwischen Mädchen (8 Prozent) und Jungen (32 Prozent) stark variierten.
Allerdings bergen Online- und Videospiele auch gewisse Schattenseiten. Im Rahmen der HBSC-Studie 2022 beantworteten die 14- und 15-Jährigen, die zumindest gelegentlich gamten (etwa 97 Prozent der Jungen und 64 Prozent der Mädchen) erstmals zehn Fragen zum Spielverhalten: 3 Prozent wiesen dabei in den vergangenen 12 Monaten oft Anzeichen für ein problematisches Verhalten auf. Als problematisch gilt das Spielverhalten, wenn 5 oder mehr Anzeichen bestehen.
So gaben beispielsweise 18 Prozent der Befragten an, dass sie in den vergangenen 12 Monaten oft spielten, um eine negative Stimmung abzubauen. Bei 13 Prozent kreisten die Gedanken häufig ums Gamen und 11 Prozent spielten häufig trotz negativer Folgen viel.
...und sozialen Netzwerken
Soziale Netzwerke wie Whatsapp, Snapchat, Tiktok oder Instagram sind Sozialisierungsräume, über die Jugendliche spontan mit Gleichaltrigen in Kontakt treten können. Die Plattformen ermöglichen es, Informationen und Ideen auszutauschen und sich über Neuigkeiten oder Events auf dem Laufenden zu halten. Im Jahr 2022 nutzten 65 Prozent der 11- bis 15-Jährigen täglich soziale Netzwerke, wobei Mädchen mit 68 Prozent etwas häufiger vertreten waren als Jungen mit 61 Prozent. Auch soziale Netzwerke sind nicht frei von problematischer Nutzung.
7 Prozent der 11- bis 15-Jährigen wiesen in den letzten 12 Monaten mindestens sechs von insgesamt neun Anzeichen auf, die auf eine problematische Nutzung sozialer Netzwerke hindeuten. Weitaus häufiger betroffen waren dabei Mädchen (etwa 10% gegenüber Jungen mit 4%). Im Vergleich zum Jahr 2018 (4 %) ist diese «problematische» Nutzung um 3 Prozentpunkte angestiegen, was auch mit der im 2022 noch präsenten Pandemiesituation zu tun haben könnte.
45 Prozent der 11- bis 15-Jährigen gaben an, soziale Netzwerke oft zu nutzen, um vor negativen Gefühlen zu flüchten, etwa 40 Prozent versuchten vergeblich, weniger Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen, etwa 21 Prozent stellen regelmässig fest, dass sie an nichts anderes denken konnten, und derselbe Anteil an Jugendlichen fühlte sich regelmässig unzufrieden, weil sie mehr Zeit in sozialen Netzwerken verbringen wollten.
Problematische Mechanismen
Technologische Mechanismen, die in viele Games und soziale Netzwerke eingebaut sind, verstärken den Druck, täglich online zu sein. Andere sollen dazu verleiten, möglichst viel Geld auszugeben.
Dazu gehören Bonussysteme, die die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nutzungstage belohnen, sowie sogenannte Lootboxen (virtuelle «Beutekisten») mit zufällig zusammengestellten, kostenpflichtigen Inhalten, die Jugendliche mit geringen Geldbeträgen erwerben können. Diese Lootboxen, die Merkmale von Geld- und Glücksspielen aufweisen, sind nicht verboten. Hingegen verbietet die Bundesgesetzgebung Lotteriespiele für unter 16-Jährige und die Altersgrenze für alle Online-Geld- und Glücksspiele und Casinospiele liegt bei 18 Jahren.
Prävention im Internetbereich ist deshalb wesentlich. Dazu zählt die Förderung der Medienkompetenzen von Jugendlichen wie auch von Erwachsenen. Auch die Veröffentlichung von Empfehlungen und die Unterstützung von Fachleuten, die mit Jugendlichen und Eltern zu tun haben, spielen dabei eine wichtige Rolle. Es geht auch darum, sich für die Online-Aktivitäten der Jugendlichen zu interessieren und mit ihnen darüber zu sprechen, zum Beispiel über Videospiele oder In-Game-Käufe. Hilfreich kann auch sein, ein kleines Budget für den Kauf von kostenpflichtigen Inhalten über eine Prepaid-Karte festzulegen.
Literatur
Delgrande Jordan, Marina; Schmidhauser, Valentine (2023). Comportements en ligne des 11 à 15 ans en Suisse – Situation en 2022 et évolution récente. Résultats de l’étude Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) (Forschungsbericht Nr. 154). Lausanne: Sucht Schweiz
Dieser Beitrag ist am 18. Juli 2023 auch in der Online-Publikation «Soziale Sicherheit» (CHSS) erschienen.