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Junge Menschen im Visier einer Rundum-Marketing-Strategie der Tabakwerbung

Beobachtung des Tabakmarketings. Tabakwerbung ist in der Westschweiz omnipräsent; sie verwendet subtile Marketingtechniken und richtet sich insbesondere an junge Menschen: Zu diesen Schlüssen kommt das Projekt zur Beobachtung der Tabakprodukte-Marketingstrategien. Die Resultate der ersten Studie dieser Art in der Schweiz illustrieren die Bandbreite und Tiefe von Werbung, Promotion und Sponsoring der Tabakindustrie. Diese Strategien sind in der Schweiz weiterhin legal. Im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern, die seit langem Werbeverbote kennen, welche den Tabakkonsum wirksam eindämmen.

Das wichtigste Zielpublikum der Tabakindustrie ist jung

Eines belegen die Beobachtungen mit aller Deutlichkeit: Die Marketingtechniken haben hauptsächlich junge Menschen im Visier. Dies zeigt sich zunächst an Einsatzort, Sprache und Gestaltung der Werbebotschaften, dann aber auch am Wertesystem, an dem sich typischerweise Junge orientieren: in Festlaune sein, Risiko eingehen, Ferien, Anmache, Freiheit, Erfolg usw. Die Studie zeigt auf, dass ein junger Romand an einem normalen Wochenende im Durchschnitt 68 tabakfreundlichen Stimuli ausgesetzt ist (wovon 44 reines Marketing sind). Minderjährige werden von dieser Werbepraxis in hohem Mass erreicht, sei es über Plakate, Presse, Verkaufsstellen, Websites oder soziale Netzwerke.  

Äusserst ausgeklügelte Marketingstrategie

Zwar wird auch weiterhin über traditionelle Kanäle (Plakate, Presse) geworben, diese bilden aber bloss die Spitze des Eisbergs einer breiteren und komplexeren Strategie. Festzustellen ist einerseits eine Vervielfachung der Kundenkontakte (Verkaufsstellen, Bars, Restaurants und Nachtclubs, verschiedene Festivals, Internet, soziale Netzwerke usw.) und andererseits die Entwicklung neuer, subtilerer und noch raffinierterer Werbetechniken. So konnte die Studie verstecktes Marketing beobachten, bei dem sich der Werbecharakter nicht direkt ausmachen lässt. Die Tabakindustrie setzt über Festivalplattformen oder Privatpartys für Kunden auch Erlebnismarketing ein, um aussergewöhnliche und exklusive Erlebnisse anzubieten. Über umfassendes Erheben personenbezogener Daten (bei Wettbewerben oder Spielen, die entweder von Hostessen in Bars oder an Festivals oder aber über Internet angepriesen werden) entwickeln die Tabakkonzerne mit dem Versand von E-Mails und Post ein personalisiertes Marketing. Ebenfalls weit verbreitet ist Mitmach-Marketing, bei dem die Meinung der Konsumentinnen und Konsumenten zur Wahl der Marke erhoben wird, um sie aktiv in die Werbebemühungen einzubinden.  

Frappante Omnipräsenz

Dank der Zusammenarbeit von CIPRET-Vaud, Sucht Schweiz und CIPRET Fribourg dokumentiert die Studie die bestehende Marketingpraxis für Tabakprodukte in der Westschweiz auf systematische Weise. Die Resultate des Projekts zur Beobachtung der Tabakprodukte-Marketingstrategien zeigen auf, dass Tabakwerbung, -promotion und -sponsoring an vielerlei unterschiedlichen Orten und sehr häufig betrieben wird. Die Studie hat Werbung an über 80 Prozent der Kioske und Tankstellen beobachtet, in 84 Prozent der Bars, Restaurants und Nachtlokale, auf 94 Prozent der Zigarettenautomaten, an 34 Kultur- und Sportevents der Westschweiz (wovon die Mehrheit Musikfestivals sind), auf 22 offiziellen Marken-Websites (wovon über die Hälfte Minderjährigen zugänglich sind), im öffentlichen Raum (Plakate) vieler französischsprachiger Kantone, im Kino, in den sozialen Netzwerken und in der Presse.    

Die Schweiz, Ausnahme in Europa

Vielfalt und Breite der in der Westschweiz beobachteten Marketingpraxis sind in Europa die Ausnahme. Plakatwerbung in der Öffentlichkeit ist beispielsweise in allen europäischen Ländern verboten, ausser in der Schweiz, Deutschland und Bulgarien. Die Schweiz ist das einzige europäische Land, in dem Werbung für Tabakprodukte in der Presse erlaubt ist, und sie ist abgesehen von Weissrussland das einzige Land, in dem das Sponsoring von Kultur- und Sportevents nicht eingeschränkt ist. Das als Referenzvertrag geltende und von der Mehrheit der europäischen Länder ratifizierte Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) empfiehlt ein globales Verbot von Tabakwerbung, -promotion und -sponsoring. In den Ländern, die das Übereinkommen ratifiziert haben, liess sich der Tabakkonsum um rund 7 Prozent senken.

Der Entwurf zum neuen Tabakproduktegesetz (TabPG) geht nicht so weit, denn der grösste Teil der von der vorliegenden Studie beobachteten Marketinganstrengungen bliebe weiterhin erlaubt, was aus Sicht der öffentlichen Gesundheit äusserst bedauernswert ist. Die Ausarbeitung des neuen Gesetzestextes müsste vielmehr ermöglichen, Massnahmen zu einer wirksamen und langfristigen Bekämpfung der Tabakkonsums zu etablieren. Das Werbeverbot hat in diesem Zusammenhang Priorität.

Zur Erinnerung: der Tabakkonsum ist das wichtigste vermeidbare Risiko für nichtübertragbare Krankheiten. Jedes Jahr sterben über 9000 Menschen in der Schweiz auf Grund des Rauchens.  

Die Resultate in Kürze

· Die Tabakindustrie geht die Jugend gezielt an, obwohl sie das Gegenteil behauptet.

· Tabakwerbung, -verkaufsförderung und -sponsoring beeinflussen den Konsum.

· Die eingesetzten Werbetechniken der Tabakindustrie gehören zu den kreativsten und raffiniertesten. Sie sind in der französischen Schweiz omnipräsent.

· Während in den meisten europäischen Ländern Tabakwerbung, -verkaufsförderung und -sponsoring gar nicht erlaubt sind, sind in der Schweiz nur Radio- und Fernsehwerbung verboten.

· Ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung, -verkaufsförderung und -sponsoring ist ein wirksames Mittel zur Reduktion des Tabakkonsums.

· Tabakwerbung macht nur 0.4% der gesamten Werbeausgaben aus. Bei einem umfassenden Werbeverbot sind also keine nennenswerten Auswirkungen zu befürchten. 

· Die von der Tabakindustrie vorgeschlagenen freiwilligen Werbebeschränkungen sind wirkungslos.

· Das Verbot von Tabakwerbung ist gesetzeskonform, wie das Bundesgericht bestätigte (BGE 2P.207/2000 vom 28. März 2002).  

Broschüre fasst die Studienergebnisse zusammen

Eine Broschüre liefert eine Zusammenfassung der Resultate des «Projekts zur Beobachtung der Marketingstrategien für Tabakprodukte in der französischen Schweiz, 2013–2014». Sie ist auf der Website des Projektes oder auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention abrufbar.  

Die Tabakindustrie setzt subtile Strategien ein, damit die Verkaufsförderung ihrer Produkte zwar für das Zielpublikum (Jugendliche sowie Raucherinnen und Raucher) augenfällig ist, für den Rest der Bevölkerung hingegen relativ diskret bleibt. Überdies beschränken sich die eingesetzten Marketingtechniken nicht auf klassische Werbeformen (wie Plakatkampagnen oder Pressewerbung); sie sind vielmehr extrem innovativ und ausgeklügelt. Die Tabakindustrie ist nicht bloss im Internet und in sozialen Netzwerken aktiv, sondern setzt auch versteckte Werbung, Mitmach-Marketing, personalisiertes Marketing, ja sogar Erlebnismarketing ein, um den Absatz ihrer Produkte zu fördern. Diese Techniken sind nicht bloss sehr effizient, sondern fallen auch nicht unter die geltenden, von herkömmlichen Werbeformen ausgehenden Tabakwerbegesetze.  

Das Projekt zur Beobachtung der Marketingstrategien für Tabakprodukte wurde vom Tabakpräventionsfonds finanziert und von CIPRET-Vaud in Zusammenarbeit mit Sucht Schweiz und Fachstelle Tabakprävention Freiburg-CIPRET umgesetzt. Zwischen Mai 2013 und Juni 2014 haben sieben Mitarbeitende zusammen mit zahlreichen Forschungshelferinnen und -helfern Daten erhoben, dokumentiert und analysiert.  

Die vorliegende Broschüre stellt die Untersuchungsergebnisse vor, befasst sich aber auch mit Tabakwerbung, -verkaufsförderung und -sponsoring im weiteren Sinn sowie mit den dabei eingesetzten Marketingtechniken.    

Links

Contact

Michela Canevascini, CIPRET-Vaud, Projektleiterin, Tel. 021 623 37 59

Myriam Pasche, Leiterin CIPRET-Vaud, Tel. 021 623 37 04

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