«Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss»: BAG-Programme sichtbar machen
Feb. 2015Gesundheitskommunikation
Kommunikationskampagnen. Wie kann ein Thema ins Bewusstsein der einzelnen Menschen, der Massenmedien und der ganzen Gesellschaft gerückt werden? Kommunikationskampagnen sind ein erprobtes und effizientes Mittel, um die Menschen zu informieren und für Gesundheitsthemen zu sensibilisieren. Die Kampagnen des Bundesamts für Gesundheit kommen bei der Bevölkerung gut an, zeigen Wirkung und geniessen international Anerkennung.
Die meisten Gesundheitsprobleme haben eine persönliche und eine gesellschaftliche Komponente. Sie verursachen individuelles Leid und hohe Kosten. Auch bei der Entstehung und der Vermeidung von Gesundheitsproblemen spielen beide Aspekte eine wichtige Rolle. Zum einen sind individuelle Verhaltensweisen wie etwa Bewegungsmangel oder das Impfverhalten entscheidend, zum anderen werden wir alle von strukturellen Rahmenbedingungen beeinflusst, zum Beispiel von Zigarettenpreisen und vom Mindestalter für den Erwerb von Alkohol. In der Prävention wird deshalb die individuelle wie auch die gesellschaftliche Ebene angesprochen. Dabei gibt es verschiedene Arten von Lösungsansätzen: medizinisch-technische (z.B. neue Impfstoffe), regulatorische (z.B. Rauchverbote) und ökonomische (z.B. Alkoholsteuer). Diese sind mit unterschiedlichen Schwierigkeiten verbunden. Allen gemein ist jedoch, dass sie nur dann Wirkung entfalten können, wenn sie bekannt sind. Wenn niemand von einem neuen Impfstoff oder einem Rauchverbot weiss, wird auch niemand sein Verhalten danach ausrichten. Es ist also entscheidend, dass Fachleute und Bevölkerung informiert werden. Diese Aufgabe übernehmen die Kommunikationskampagnen. Sie ergänzen und unterstützen alle Lösungsansätze.
Information und Akzeptanz
Kampagnen informieren – etwa über neue Gefahrensymbole zu chemischen Produkten – oder sensibilisieren für Themen wie Rauchen oder risikoreichen Alkoholkonsum. Kampagnen tragen dazu bei, Akzeptanz für Massnahmen zu schaffen. Die konsequente Anwendung des Präservativs zum Schutz vor HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten oder das Etablieren des Nichtrauchens als gesellschaftliche Norm sind eindrückliche Beispiele für die Wirkung von Kommunikationskampagnen. Auf der individuellen Ebene tragen sie dazu bei, die Gesundheitskompetenz zu stärken. Sie ermutigen die Menschen, sich so zu verhalten, dass gesundheitliche Risiken vermieden werden. Auf der gesellschaftlichen Ebene sollen Kampagnen die Präventionsprogramme des BAG bekannt machen und wichtige Gesundheitsthemen auf die öffentliche Agenda bringen. Am besten wirken sie im Verbund mit weiteren Massnahmen im Rahmen einer Gesamtstrategie.
Komplexe Wirkungsmechanismen
Verschiedene Forschungszweige beschäftigen sich mit der Wirkungsweise von Kommunikationskampagnen im Gesundheitsbereich: Kommunikationswissenschaften, Gesundheitspsychologie, Sozialpsychologie und Social Marketing. Die Erkenntnisse aus diesen Bereichen wurden von der Sektion Kampagnen des BAG in Zusammenarbeit mit Fachleuten zum «Meta-Modell der Wirkung von Kommunikationskampagnen des BAG» zusammengefasst (siehe Infografik unten). Dieses besteht aus den drei Dimensionen Strategie, Prozess und Wirkung. Es bettet die Kampagnentätigkeit in den grösseren Kontext ein und zeigt das Wechselspiel verschiedener Wirkungsfaktoren auf. Eine Kampagne ist nur eine von mehreren Massnahmen eines Programms; sie entfaltet ihren Beitrag im Zusammenspiel mit den anderen Programmbestandteilen. Verschiedene Wirkungsmechanismen auf unterschiedlichen Ebenen werden durch eine Kampagne in Gang gesetzt. Auf gesellschaftlicher Ebene sind dies sogenannte Agenda-Setting-Prozesse: Kampagnen setzen Themen auf die öffentliche Tagesordnung. Sie werden von den Medien aufgegriffen und bleiben in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Auf individueller Ebene ist das Wechselspiel der Einflussfaktoren, welche eine Wirkung erzielen können, komplex. Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Frage, wie motiviert eine Person ist, sich intensiv mit Gesundheitsthemen auseinanderzusetzen. Diese Motivation kann beispielsweise über Emotionen geweckt werden (Aufmerksamkeit) und anschliessend mit Informationen befriedigt werden (Wissen). Bei einer bewussten gedanklichen Auseinandersetzung mit den Kampagnenbotschaften kann es über weitere Zwischenschritte wie Einstellungsbildung und Verhaltensplanung schliesslich zu einer Verhaltensänderung kommen. Eine Verhaltensänderung ist entsprechend deutlich schwieriger zu erreichen als z.B. Wissenszuwachs. Selbst bei vorhandenem Handlungswillen seitens der Betroffenen treten verschiedene Barrieren zwischen Verhaltensabsicht und Verhalten, verursacht durch ungünstige Gewohnheiten, soziale Normen oder situative Faktoren. Eine Verhaltensänderung kann aber auch ohne Motivation oder intensive thematische Auseinandersetzung stattfinden, z.B. wenn eine Erinnerungshilfe (Hinweisreiz) das Verhalten direkt auslöst. BAG-Kampagnen versuchen, Menschen mit unterschiedlicher Motivation und Einstellung sowie unterschiedlichen Fähigkeiten und Verhaltensweisen abzuholen und Verhaltensbarrieren abzubauen.
Vielfältige Wirkungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kampagnen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene Wirkung zeigen. Sie sensibilisieren die Bevölkerung, stärken die Gesundheitskompetenz, setzen aktiv Themen auf die öffentliche Agenda und halten sie dort präsent. Sie steigern die Bekanntheit der Programme und erreichen in der Regel über 50% der Bevölkerung, mitunter gar bis zu 93%. Zum Vergleich: In den USA sind es im Schnitt 36 bis 42%. BAG-Kampagnen werden regelmässig von unabhängiger Seite bezüglich Wirkung und Akzeptanz evaluiert, wodurch ihr entscheidender Einfluss auf den Wissenszuwachs der Bevölkerung und ihre hohe Akzeptanz nachgewiesen werden können. Im Zusammenspiel mit anderen Massnahmen haben die Kampagnen des BAG in den vergangenen Jahren beachtliche Resultate erzielt: Durch die Schweizer HIV-Prävention wurden zwischen 1991 und 1998 52,8 Millionen Franken eingespart, die Tabakprävention hatte 2010 pro ausgegebenem Franken einen ROI (Return on Investment) von 41 Franken, die Alkoholprävention von 23 Franken.
Eine Welt ohne Kampagnen?
Grosse, bekannte Marken investieren jedes Jahr Milliarden in Werbung und Kommunikation, obwohl sie sich bereits hoher Bekanntheit und Popularität erfreuen. Könnte man nach einer gewissen Anzahl von Jahren nicht mit Werbemassnahmen aufhören? Unternehmen und Experten sagen nein – und wir stimmen ihnen zu. Es wäre gar fahrlässig, dies zu tun: Gesundheitsinformation braucht lange Zeit, um sich zu verankern. Zeit, in der sich Motivationen verschieben. Zeit, in der neue Generationen nachrücken. Zeit, in welcher die Konkurrenz nicht schläft. Zeit, welche aus Ideen und Informationen Veränderungen entstehen lässt.
Kontakt
Adrian Kammer, Leiter Sektion Kampagnen, adrian.kammer@bag.admin.ch