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Gesund altern in der Schweiz

Ausgabe Nr. 124
Mai. 2019
Gesund altern

Lebensphasen. Mit dem demografischen Wandel sind grosse Herausforderungen verbunden. Die Gesundheit und die Lebensqualität älterer Menschen zu erhalten, steht für das BAG im Zentrum. Richtungsweisend ist dabei die Altersstrategie «Healthy Ageing» der Weltgesundheitsorganisation WHO. In allem Handeln ist ein differenzierter Blick auf das Alter und das Altern wichtig. Es geht darum, sich an den Ressourcen zu orientieren, über die ältere Menschen verfügen.

Die Gesundheit im Alter wird von vielen Faktoren beeinflusst. Um gesundes Altern zu ermöglichen, müssen alle Faktoren berücksichtigt werden, nicht nur die krankheitsbezogenen. Quelle: WHO

Die Altersstruktur der Bevölkerung in der Schweiz wird sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern. Gemäss Berechnungen des Bundesamtes für Statistik wird sich der Anteil der älteren Menschen in den nächsten 30 Jahren beinahe verdoppeln. Dann wird fast jede vierte Person in der Schweiz 65 Jahre oder älter sein; mehr als eine Million Menschen werden 80 Jahre alt oder älter sein.

Diese Entwicklung ist in erster Linie ein gesellschaftlicher und medizinischer Erfolg. Noch vor 100 Jahren sind die Menschen in der Schweiz mit durchschnittlich 60 Jahren gestorben. Heute haben sie zu diesem Zeitpunkt noch 25 Jahre vor sich, meist in guter Gesundheit und Zufriedenheit.

Immer mehr Menschen sind heute bis ins hohe Alter fit – geistig und körperlich. Unser Gehirn ist bis ins hohe Alter lern- und leistungsfähig; Fachleute sprechen von der Plastizität des Alters. Diese Entwicklungspotenziale, welche eine wichtige Ressource darstellen, gilt es zu erkennen und zu nutzen.

Ältere Menschen sind oft zufriedener als Menschen zwischen 30 und 50 Jahren, die mit Familie und Beruf an mehreren Fronten gefordert sind. Viele ältere Menschen engagieren sich weiterhin im Beruf, in der Familie, im Verein und sind damit wichtige Stützen der Gesellschaft.

Herausforderung NCD
Aus der Alterung der Bevölkerung in der Schweiz ergeben sich aber auch Herausforderungen für die Gesellschaft und das Gesundheitswesen. Es gilt, mit der steigenden Zahl von NCD-Erkrankungen (Non-Communicable Diseases) umzu-gehen, vor allem mit Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegs- sowie muskulo-skelettalen Erkrankungen und zunehmend auch Demenz.

Viele ältere Menschen leiden an psychischen Beschwerden, etwa Depressionen, Angstzuständen oder Schlafstörungen. Soziale Isolation ist ein altersspezifischer Risikofaktor für psychische Erkrankungen.

Ressourcen in den Mittelpunkt
Keine andere Lebensphase ist hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Gesundheitszustand derart heterogen. Dem fitten, älteren Menschen steht der gebrechliche gegenüber. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, hat die WHO das Konzept des gesunden Alterns (Healthy Ageing) geschaffen. Gesundes Altern definiert die WHO «als einen Prozess der Entwicklung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit, die das Wohlbefinden im Alter ermöglicht». Funktionsfähigkeit meint in dieser Definition alle gesundheitsbezogenen Eigenschaften, die einem Menschen ermöglichen, das Leben zu führen, das ihm wichtig ist oder lebenswert erscheint. Es sind dies physische und psychische Möglichkeiten der Person und relevante Umweltfaktoren. Ziel ist das Wohlbefinden im Alter.

Zwei Gedanken sind hier besonders hervorzuheben, da sie auch die Aufgaben im Gesundheitswesen beeinflussen:
1. Gesund altern ist ein individueller Prozess, der von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. Mit dem Alter steigt das Risiko von Einschränkungen. Nicht diese müssen den Gradmesser für ein zufriedenes Leben darstellen, sondern die vorhandenen Ressourcen.

2. Wird die Umweltebene einbezogen, löst sich das Gesundheitskonzept von einer reinen Versorgungsfrage und muss vielmehr andere Einflussfaktoren berücksichtigen. Diese reichen von strukturellen Faktoren wie der Wohnsituation bis hin zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, darunter die Frage nach dem Altersbild und dessen Auswirkungen auf das Wohlbefinden älterer Menschen.

Die Altersstrategie der WHO
Das Konzept des gesunden Alterns der WHO fokussiert auf mehrere Handlungsfelder. Dazu gehören:

•  Wohnformen, die es alten Menschen erlauben, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben (z.B. Caring Communities);
•  eine Gesundheitsversorgung, die weniger auf die Krankheit fokussiert, sondern auf die Bedürfnisse der älteren Patientinnen und Patienten (siehe Editorial);
•  eine Stärkung der Langzeitpflege, wobei vor allem Inputs bei der Aus- und Weiterbildung gefragt sind, um die prognostizierten Lücken beim Pflegepersonal decken zu können;
•  eine koordinierte Versorgung, eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen.

Umsetzung in der Schweiz
Verschiedene der in der WHO-Strategie beschriebenen Massnahmen werden heute in der Schweiz bereits umgesetzt. Im Rahmen der NCD-Strategie beispielsweise verfolgen das BAG, die Kantone und Gesundheitsförderung Schweiz gemeinsame Ziele in der Gesundheitsförderung und der Prävention in der Gesundheitsversorgung. Auch die Massnahmen im Bereich der koordinierten Versorgung sowie der gesundheitlichen Chancengleichheit tragen zur Umsetzung von Healthy Ageing bei. Weiter engagiert sich das BAG für pflegende Angehörige. Diese sollen möglichst unterstützt und entlastet werden. Im Bereich Palliative Care fördert das BAG den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren.

Auf Bundesebene sind ferner – im Sinne einer umfassenden Gesundheitspolitik – verschiedene Institutionen mit gesundheitsrelevanten Altersthemen beschäftigt. Soziale Sicherheit, Wohnen im Alter, Erwachsenenschutzrecht, Umwelt oder Raumentwicklung sind nur einige. Beiträge der Kantone, der Gemeinden oder von zivilgesellschaftlichen Organisationen ergänzen die gesundheitspolitischen Bemühungen. Zu den Erfolgsfaktoren einer gelingenden Gesundheitspolitik für ältere Menschen gehören neben den genannten sektorenübergreifenden Ansätzen eine sinnvolle Koordination der Aktivitäten – dies unter Einbezug der Direktbetroffenen, der älteren Menschen in der Schweiz.

Altersbilder, Wohlbefinden und Selbstwirksamkeit
Aus gesundheitspolitischer Sicht zielen oben beschriebene Anstrengungen darauf, den älteren Menschen neben adäquaten Strukturen ein Höchstmass an Lebensqualität und Wohlbefinden zu bieten. Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gehören vorherrschende Altersbilder. Undifferenzierte Bilder haben einen direkten Einfluss auf das Gesundheitsverhalten älterer Menschen. So werden krankheitsbedingte Beschwerden als altersassoziiert angesehen und mögliche Behandlungen gar nicht erst ins Auge gefasst. Der redu-zierte Blick auf das Alter und das Älterwerden wirkt sich schliesslich auch auf die Gesundheitsversorgung und die Gesundheitsförderung aus. Selbst Fachpersonen sind nicht gefeit vor diesen reduzierten Bildern, was dazu führt, dass sie mögliche Massnahmen nicht oder nicht angemessen ergreifen. Ein in der Gesellschaft verankertes, differenzierteres Bild des Alters würde ältere Menschen, aber auch ihr Umfeld dabei unterstützen, Ressourcen und Kompetenzen zu erkennen und zu nutzen. Und es würde ihnen helfen, einen adäquaten Umgang mit Beschwerden zu finden.

Quellen

•  Gesundheit und Lebensqualität im Alter, Gesundheitsförderung Schweiz, 2016
•  Global strategy and action plan on ageing and health, World Health Organization, 2017

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Kontakt

David Hess-Klein
Sektion Öffentliche Gesundheit

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