Aus erster Hand
Sep. 2017Suchtprävention – quo vadis?
Editorial. Sucht ist eine Krankheit (1). Sucht kann aber auch Marginalisierung bedeuten. Einsamkeit. Verschuldung. Sucht kann zum Verlust von Arbeit führen, zum Verlust des sozialen Umfelds und zum Verlust von Lebensfreude. Im Vorfeld eines Suchtverhaltens bestehen oftmals tieferliegende psychische Probleme. Die neue Strategie Sucht des Bundes geht deshalb von einem gesamtheitlichen, biopsychosozialen Krankheitsmodell aus, das körperliche, psychische und sozioökonomische Faktoren einbezieht und Sucht nicht als Zustand, sondern als dynamischen Prozess betrachtet.
Eine Abhängigkeit kann sich in jedem Lebensalter, nach jedem kritischen Lebensereignis und aus jeder Krisensituation entwickeln. Die Entstehung von Suchtverhalten ist eine mögliche Antwort auf länger andauernde Belastungen bei der Arbeit oder im Privatbereich. Solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren, ist der Kerngedanke der im Bereich der Prävention zentralen Massnahmen zur Früherkennung und Frühintervention.
Bei all den weitblickenden und umfas- senden Überlegungen, wie diese in der Nationalen Strategie Sucht und dem Massnahmenplan dargelegt sind, ist es mir ein persönliches Anliegen, nicht zu vergessen, wem die Aktivitäten und Entwicklungen letztendlich dienen sollen: den suchtgefährdeten und abhängigen Menschen wie auch den Menschen in ihrem Umfeld. Was mir aus meiner früheren Tätigkeit in der ambulanten Suchtberatung geblieben ist, sind nicht Prävalenzzahlen, sozioökonomische Kosten und fachspezisches Wissen zu Substanzen und Verhaltensweisen, sondern individuelle, facettenreiche Lebensgeschichten. Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass Abhängigkeit und Suchtverhalten nicht nur weit verbreitet sind. Sie sind ein Thema, das uns alle angeht, und ein Schicksal, das viele von uns treffen kann.
Ich freue mich darauf, die Umsetzung der Nationalen Strategie Sucht zu begleiten und auf den breiten Erfahrungsschatz und das reiche Know-how von allen Partnern und Akteuren zurückgreifen zu können. Mit viel Freude an der Fortentwicklung, dem Interesse an der Zusammenarbeit und der Nutzung von Synergien wird die Nationale Strategie Sucht im Jahr 2024 auf viele neue Erfolge zurückblicken können.
Mirjam Weber, Projektleiterin Nationale Strategie Sucht
(1) vgl. den Kriterienkatalog ICD-10 der WHO (www.who.int/classifications/icd/en) sowie das Manual DSM-5 der American Psychiatric Association (www.psychiatry.org/psychiatrists/practice/dsm)