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Chancengleichheit ganz konkret

Ausgabe Nr. 119
Jan. 2018
Chancengleichheit

NCD. Was tun die Träger der NCD-Strategie, die Schweizerische Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (GFCH) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG), wenn sie im Jahr 2018 auf gesundheitliche Chancengleichheit setzen? Damit alle die gleichen Chancen für ein gesundes Leben und im Falle einer Krankheit die gleichen Zugangschancen zur Gesundheitsversorgung wahrnehmen können, müssen alle gesundheitsrelevanten Ungleichheiten berücksichtigt werden. So lautet eine der künftigen Herausforderungen.

Diana Müller, GDK

Dominik Weber, GFCH

Eva Bruhin, BAG

Diana Müller, GDK

Was bedeutet gesundheitliche Chancengleichheit für die GDK?
Die Ziele und Definitionen der WHO und von Quint-Essenz sind wichtige Grundlagen für das Verständnis in der GDK bzw. den Kantonen. Ebenso bietet die Umschreibung im NCD-Strategiepapier eine wertvolle Orientierung zum Begriff «Chancengleichheit». Abgeleitet von diesen Grundlagen könnte für uns die Definition wie folgt lauten: Gesundheitliche Chancengleichheit ist ein Prozess bzw. Weg. Es geht darum, gleiche Chancen für das Gesundsein und Gesundwerden herzustellen. Auch die Zugangschancen zur Versorgung müssen gleich sein – unabhängig vom sozialen Status, von der nationalen Zugehörigkeit, von Geschlecht und Alter etc. Dennoch kann der Gesundheitszustand zwischen verschiedenen Individuen oder Gruppen unterschiedlich sein – z.B. aufgrund genetischer Voraussetzungen oder eines selbst gewählten Lebensstils.

2018 ist die gesundheitliche Chancengleichheit das Jahresthema von BAG, GDK und GFCH. Was macht die GDK  dazu?
Im Rahmen des Programms Migration und Gesundheit (2014–2017) haben acht Kantone Programme, Projekte und Massnahmen für Gesundheitsförderung und Prävention auf migrationsspezifische Faktoren ausgerichtet. Im Rahmen der kantonalen Aktionsprogramme (KAP) werden Aktivitäten mit Fachorganisationen wie SRK, Caritas oder HEKS umgesetzt. Diese und weitere Aktivitäten werden mit Blick auf Erfolgsfaktoren und Stolpersteine ausgewertet. Gemeinsam mit dem BAG prüft die GDK, ob sich daraus Unterstützungsbedarf sowie praxisrelevante Empfehlungen und Kriterien für chancengleiche Projekte und Aktivitäten ableiten lassen. Darüber hinaus wird die Gesundheitsförderungskonferenz im Januar 2018 dafür genutzt, um für die vielfältigen Aspekte der Chancengleichheit zu sensibilisieren, sodass künftig nicht nur die Migrationsbevölkerung, sondern auch andere vulnerable Gruppen in den Fokus der kantonalen Bemühungen rücken.

Wo sehen Sie Erfolgsfaktoren, wo Stolpersteine?
Aktivitäten zur Chancengleichheit erfordern eine sorgfältige Situationsanalyse, ein fundiertes Verständnis der fokussierten Zielgruppe, kreative und vernetzte Ansätze sowie einen langen Atem. Entsprechend ist die Zusammenarbeit bzw. Einbindung in ein kantonales Aktionsprogramm sowie die Kooperation mit spezialisierten Fachorganisationen und Vertretern der Zielgruppe wesentlich. Stolpersteine sind für uns die fehlende politische Sensibilisierung für die vielfältigen Facetten der Chancengleichheit, die schwachen Wirkungsnachweise und die knappen finanziellen Mittel.

Dominik Weber, GFCH

Was bedeutet gesundheitliche Chancengleichheit für GFCH?
In Anlehnung an die NCD-Strategie bedeutet gesundheitliche Chancengleichheit für uns, dass möglichst alle Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung, Erhaltung und falls nötig Wiederherstellung ihrer Gesundheit haben. Chancengleichheit impliziert also nicht, dass alle Menschen gleich gesund sind. Vielmehr geht es darum, dass gesundheitsrelevante Ressourcen möglichst gleich über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen verteilt sind.

2018 ist die gesundheitliche Chancengleichheit das Jahresthema von BAG, GDK und GFCH. Was macht GFCH dazu?
Die Chancengleichheit ist in unseren kantonalen Aktionsprogrammen (KAP) bereits ein wichtiges Thema: Zum Schwerpunkt «Ernährung und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen» stieg der Anteil Projekte, die Chancengleichheit berücksichtigen, über die Jahre kontinuierlich an. Anfang 2017 haben wir die KAP gemeinsam mit den Kantonen um das Thema «Psychische Gesundheit» und die Zielgruppe «ältere Menschen » erweitert. 2018 werden wir deshalb unsere Arbeitsgrundlagen zur Chancengleichheit aktualisieren und ergänzen. Dazu arbeiten wir gegenwärtig Wissen und Erfahrungen auf und defi nieren künftige Arbeitsschwerpunkte. Wir wollen gesundheitliche Chancengleichheit breit denken und unterschiedliche gesundheitlich benachteiligte Gruppen berücksichtigen. Weiter gilt es, unsere Arbeit eng mit den Akteuren im Bereich Chancengleichheit abzustimmen und die Übereinstimmung mit der NCD-Strategie zu gewährleisten.

Wo sehen Sie Erfolgsfaktoren, wo Stolpersteine?
In der Praxis ist es eine Herausforderung, gesundheitlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Auf politischer Ebene ist es zudem nicht einfach, höhere Kosten für Projekte zugunsten schwer erreichbarer Bevölkerungsgruppen zu begründen und sie längerfristig zu verankern. Massnahmen zur Erhöhung der gesundheitlichen Chancengleichheit sollten auf verschiedenen Ebenen ansetzen: Auf übergeordneter Ebene sind strukturelle Massnahmen wichtig, die über den alleinigen Einfl ussbereich der Gesundheitspolitik hinausgehen. Dazu braucht es eine multisektorale Zusammenarbeit mit Partnern im Sozial-, Bildungs- und Raumplanungsbereich. Auf Ebene der konkreten Interventionen ist auf eine Ressourcenorientierung zu achten, denn auch gesundheitlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen verfügen über wichtige Handlungskompetenzen, an die man in der Gesundheitsförderung anknüpfen kann.

Eva Bruhin, BAG

Was bedeutet gesundheitliche Chancengleichheit für das BAG?
Unser Ziel ist es, der gesamten Bevölkerung in der Schweiz langfristig die Chancen für eine gute Gesundheit zu ermöglichen – unabhängig von Bildung, Einkommen oder Herkunft. In der Massnahmenausgestaltung der NCD-Strategie stellen wir uns die Fragen: Wie können wir alle Zielgruppen erreichen? Wie müssen die Botschaften ausgestaltet sein, damit sie bei den Menschen ankommen und verstanden werden? Es bedeutet aber auch, dass der Zugang zu Angeboten und für Unterstützung einfach und niederschwellig ist.

2018 ist die gesundheitliche Chancengleichheit das Jahresthema von BAG, GDK und GFCH. Was macht das BAG dazu?
Im Hinblick auf 2018 wurden bestehende Daten ausgewertet und geschaut, welche Chancenungleichheiten bestehen, respektive, wo Brennpunkte sind. Diese Informationen fl iessen in die NCD-Stakeholderkonferenz vom 18. Januar 2018 ein (s. Box Seite 4). Weiter ist das Thema Chancengleichheit ein wichtiger Aspekt im Projekt Selbstmanagement chronischer Krankheiten, das 2017 gestartet ist. Hierbei soll ein Referenz- und Orientierungsrahmen zu Angeboten für chronisch Kranke und ihre Angehörigen erstellt sowie eine Plattform für den Austausch zwischen Anbietern geschaffen werden. Zudem ist die Chancengleichheit bei Projektfi nanzierungen eines der Zuschlagskriterien. Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit mit Spezialisten für Chancengleichheit, innerhalb des BAG und mit externen Partnern wie dem Schweizerischen Roten Kreuz (Migesmedia).

Wo sehen Sie Erfolgsfaktoren, wo Stolpersteine?
Ein erster wichtiger Schritt war das Ausweiten des Themas «Gesundheitliche Chancengleichheit». Neben der Herkunft werden nun auch die Faktoren Einkommen und Bildung mitberücksichtigt. Das reicht aber nicht, um effektiv gleiche Chancen herzustellen. Es ist erwiesen, dass strukturelle Massnahmen (z.B. Werbeverbote für Tabakprodukte, Preiserhöhungen) die grösste präventive Wirkung hätten und die Chancengleichheit deutlich erhöhen würden. Diese werden aktuell nicht von der Politik getragen. Weiter wissen wir, dass bei den Personen, die wir mit der Prävention erreichen sollten, oft andere Probleme wichtiger sind als die Gesundheit. Wir versuchen, durch Kooperationen mit relevanten Mittlern und Multiplikatoren den Zugang zu diesen Personen zu fi nden. Wir wollen die Leute in ihrem Lebenskontext und bei ihren Bedürfnissen abholen.

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