«Wer in Prävention und Gesundheitsförderung investiert, spart Leid und Geld.»
Apr. 2017Ende der Nationalen Präventionsprogramme
Interview Stefan Leutwyler. Der stellvertretende Zentralsekretär der Schweiz. Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) blickt zurück auf die Nationalen Präventionsprogramme und das Erreichte – und blickt voraus in die neuen Strategien Sucht und NCD sowie die neuen Anforderungen an die künftige Präventionsarbeit. Die GDK hat an der Erarbeitung der neuen Strategien mitgewirkt, denn die Kantone sind ein wichtiger Partner in der Umsetzung, die seit Anfang des Jahres angelaufen ist.
Welchen Beitrag konnte die GDK an die Nationalen Präventionsprogramme Alkohol, Tabak, Ernährung und Bewegung sowie Drogen (MaPaDro) leisten?
Aufgabe der kantonalen Direktionskonferenzen im Bereich der Prävention ist es – wie bei allen anderen gesundheitspolitischen Themen – ein Bindeglied zwischen den Kantonen und nationalen Akteuren zu bilden und damit einerseits die Interessen der Kantone auf nationaler Ebene einzubringen, andererseits die Koordination der Aktivitäten von staatlichen und privaten Akteuren zu verbessern. Durch den Einsitz in den strategischen Leitungen und den operativen Gremien der Nationalen Präventionsprogramme Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung konnte dies gewährleistet werden. Unter dem Dach der Massnahmenpakete Drogen haben die Kantone in Abstimmung mit dem Bund integrierte Angebote und Zusammenarbeitsmodelle in der Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen entwickelt und betrieben. In der Präventions- und Suchtpolitik erfolgt Innovation oftmals von der Basis her über die Kantone oder Städte zum Bund, wie die aktuellen Bemühungen um neue Regulierungsmodelle im Bereich Cannabis beispielhaft zeigen.
Es gehört zudem zur zentralen Aufgabe der GDK, den Meinungsbildungsprozess in den Kantonen zu politischen Vorlagen auf nationaler Ebene zu unterstützen und sich im Interesse der Kantone auch gegenüber den Fachorganisationen, der Bundesverwaltung oder den parlamentarischen Instanzen zu positionieren. In den letzten Jahren betraf dies insbesondere die Arbeiten zur Revision der Alkoholgesetzgebung, die Schaffung eines Tabakproduktegesetzes und die Revision des Betäubungsmittelgesetzes.
Wie beurteilen die Kantone die vier Programme im Rückblick?
Ich ziehe ganz klar eine positive Bilanz aus den Nationalen Präventionsprogrammen, welche die Akteure in der Prävention näher zusammengebracht und so wichtige Errungenschaften ermöglicht haben. Einige davon zielten auch direkt auf die Unterstützung der Kantone in der Präventionsarbeit ab.
Im Bereich Alkohol denke ich an das mit den Kantonen erarbeitete Erfolgsfaktorenmodell, welches diesen ermöglicht, Optimierungspotenzial im Hinblick auf eine möglichst kohärente und wirksame Alkoholpräventionspolitik zu erkennen. Das BAG hat zudem viel zur Verbesserung des Überblicks über die in den Kantonen umgesetzten Massnahmen, insbesondere auch der gesetzlichen Bestimmungen mit Wirkung auf die Prävention, beigetragen, indem die entsprechenden Informationen systematisch erhoben, aufbereitet und zugänglich gemacht wurden. Der Austausch unter den Akteuren in der Alkoholprävention zu alkoholpolitischen Themen wurde in den immer gut besuchten Tagungen zu den kantonalen Aktionsplänen zur Alkoholprävention gefördert. Ein wichtiges Produkt des Nationalen Programms Alkohol sind die Empfehlungen zu Jugendschutzkonzepten an Veranstaltungen, welche von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) gemeinsam verabschiedet wurden.
Im Bereich der Tabakprävention trug das Nationale Programm zu einer verbesserten Koordination unter den Akteuren bei. Zum Beispiel durch die gegründete Partnerplattform Tabakprävention. Mit der Entwicklung und Umsetzung von kantonalen Tabakpräventionsprogrammen haben die Kantone – wesentlich unterstützt durch Mittel aus dem Tabakpräventionsfond (TPF) – erfreulicherweise eine verstärkte Rolle in der Tabakprävention eingenommen, die es zu erhalten gilt. Unter dem Dach des Programms wurde das Zusammenspiel zwischen den Kantonen und dem TPF zu einem «Dauerbrenner». Durch gemeinsam erarbeitete Anleitungen zur Programmentwicklung und zu Finanzierungsrichtlinien konnten wichtige Klärungsschritte erreicht werden, wenn auch noch nicht alle Fragen abschliessend geklärt sind. Die entsprechenden Arbeiten werden über die Nationalen Präventionsprogramme hinausgehen und ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit zur Zufriedenheit aller Beteiligten nochmals optimiert werden kann. In 16 Kantonen gibt es heute kantonale Tabakpräventionsprogramme und es ist das Ziel, diese Zahl weiter zu erhöhen.
Das Nationale Programm Ernährung und Bewegung sicherte insbesondere die Koordination und die Absprache zwischen Akteuren auf nationaler und kantonaler Ebene. 20 Kantone arbeiten heute in diesem Bereich eng und erfolgreich mit Gesundheitsförderung Schweiz zusammen und setzen mit kantonalen und lokalen Partnern Projekte zur Förderung eines gesunden Körpergewichts um. Diese Programme sind gut etabliert. Das BAG konnte in Bezug auf Versprechen der Wirtschaft zur Förderung gesundheitsförderlicher Produkte bemerkenswerte Erfolge erzielen. Und die Investitionen des BLV im Rahmen der Ernährungsstrategie und des BASPO im Rahmen von Jugend+Sport und der Förderung des Erwachsenensports sind seit langer Zeit ein zentraler Pfeiler der Bewegungsförderung und der Förderung einer gesunden Ernährung.
Das MaPaDro diente Bund und Kantonen zur Entwicklung von Lösungen im Bereich der Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen, zur Konsolidierung und nationalen Abstützung des Viersäulenmodells im revidierten Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und zur Weiterentwicklung der Suchtpolitik, beispielsweise im Bereich Früherkennung und Frühintervention.
Im Bereich der Prävention gibt es sowohl kantonale als auch nationale Programme. Wurden vorhandene Synergien genutzt?
Die nationalen Präventionsprogramme haben meines Erachtens wesentlich dazu beigetragen, Synergien zwischen den Aktivitäten auf nationaler, kantonaler und regionaler Ebene zu nutzen und Doppelspurigkeiten zu verhindern oder zu reduzieren. Sie haben die verschiedensten Akteure in der «Präventionslandschaft» näher zusammengebracht, so dass sich diese besser abstimmen und voneinander profitieren konnten. Dies gilt es auch über die nationalen Programme hinaus sicherzustellen und noch einmal zu verstärken. Dies ist ja auch das Ziel der Nachfolgestrategien Sucht und NCD.
Welches ist das zentrale Thema im Bereich der Prävention für die Kantone? Wie konnte diesem Anliegen in den neuen Strategien Sucht und NCD Rechnung getragen werden?
Schon heute führen etliche Kantone Präventionsprogramme (z.B. Ernährung und Bewegung, Tabakprävention) durch. Es ist sinnvoll, dass die Aktivitäten von NGOs, privaten Organisationen, Gesundheitsligen usw. in den Kantonen koordiniert und aufeinander abstimmt werden. So fliessen Mittel zielgerichteter und erzielen mehr Wirkung. Durch die genannten Finanzierungsstrukturen sind diese Programme heute stark substanzorientiert. Viele Ansatzpunkte in der Prävention sind aber substanzübergreifend anzugehen. Die Organisation der Präventionsaktivitäten und deren Mitfinanzierung durch national generierte Präventionsgelder müssen diesem Umstand noch besser Rechnung tragen. Auch können die Erfahrungen aus den bisherigen Programmen, mit deren Projekten und Massnahmen am meisten Wirkung erzielt werden kann, weiterentwickelt und ausgetauscht werden. In der NCD- und der Suchtstrategie wurden diese für die Kantone sehr wichtigen Ziele aufgenommen und die entsprechenden Umsetzungsarbeiten in die Wege geleitet.
Welche Bedeutung haben die neuen Strategien für die Kantone?
Ich bin überzeugt, dass Prävention und Gesundheitsförderung sich nicht nur lohnen, sie sind geradezu Bedingung und Voraussetzung für ein bezahlbares Gesundheitswesen der Zukunft. Wer in Prävention und Gesundheitsförderung investiert, spart. Spart Leid, wenn chronische Krankheiten verhindert oder verzögert werden, spart aber auch viel Geld. Denn was heute in die Vorsorge investiert wird, kann morgen als Mehrfaches bei der Versorgung gespart werden. Die neuen Strategien behalten eine grosse Wichtigkeit als Orientierungsrahmen und zur Gewährleistung einer kohärenten Präventionspolitik und sind damit auch für die Kantone von zentraler Bedeutung.
Zur Person
Stefan Leutwyler war bis zum 31. März 2017 stv. Zentralsekretär der GDK. Er studierte an der Universität Fribourg Sozialarbeit/ Sozialpolitik, Recht und Pädagogik und absolvierte an der Universität Bern ein Nachdiplomstudium zum Executive Master of Public Administration MPA. Bei der GDK beschäftigte er sich insbesondere mit Steuerungs- und Finanzierungsfragen im Gesundheitswesen sowie der Prävention nichtübertragbarer Krankheiten.