
Die Wirksamkeit von Antibiotika auch in Zukunft sichern
Feb. 2020Qualität und Patientensicherheit
StAR. Der unsachgemässe und übermässige Gebrauch von Antibiotika führt dazu, dass mehr Bakterien Resistenzen entwickeln – und Infektionen nicht mehr mit diesen Arzneimitteln behandelt werden können. Doch eine Reihe von Massnahmen im Rahmen der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) sollen dafür sorgen, dass die Wirksamkeit dieser lebensrettenden Medikamente langfristig erhalten bleibt.
Antibiotika gehören zu den wichtigsten Fortschritten in der Medizin, denn seit ihrem Einzug in die moderne Heilkunst in den 1940er-Jahren haben sie weltweit das Leben von annähernd 100 Millionen Menschen gerettet. Diese Arzneimittel dienen nicht nur dazu, etwa Blutvergiftungen oder Lungenentzündungen erfolgreich zu behandeln, sondern auch Menschen zu schützen, deren Immunsystem aufgrund von chronischen Erkrankungen oder Chemotherapien geschwächt ist. Darüber hinaus sorgen Antibiotika für sichere chirurgische Eingriffe.
Doch die einstigen Wunderwaffen drohen aufgrund des unsachgemässen und übermässigen Gebrauchs stumpf zu werden: Immer mehr Bakterien werden durch eine Behandlung mit Antibiotika nicht mehr abgetötet, weil sie Resistenzen entwickeln. Erschwerend kommt die sogenannte Multiresistenz hinzu: Heute können Bakterien nicht nur gegen einzelne, sondern vermehrt auch gegen verschiedene Antibiotikaklassen gleichzeitig resistent werden. Zudem führt die Globalisierung zu einer fortschreitenden und weltweiten Verbreitung der Resistenzen.
In der Schweiz setzte sich schon 2015 die Erkenntnis durch, dass die Bemühungen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen verstärkt und gebündelt werden müssen, um die Wirksamkeit dieser Arzneimittel für Mensch und Tier langfristig zu erhalten. Deshalb hat der Bundesrat die nationale Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) verabschiedet. Sie zeigt den Handlungsbedarf in acht verschiedenen Feldern auf: von der Forschung und Entwicklung über die Überwachung und Prävention bis zur Bekämpfung von Infektionen mit resistenten Bakterien.
In diesen Rahmen sind auch die Anstrengungen im Humanbereich eingebettet, die einen sachgemässen Einsatz und einen geringeren Verbrauch von Antibiotika in Spitälern und Arztpraxen bezwecken. Das nationale Zentrum für Infektionsprävention Swissnoso setzt in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie und der Schweizerischen Gesellschaft für Mikrobiologie drei Projekte um, die sich gegenseitig ergänzen.
Verschreibungsrichtlinien
Im Projekt «Verschreibungsrichtlinien» sichten Expertengruppen die Literatur zum Gebrauch von antimikrobiellen Substanzen – und erstellen auf dieser Basis Handlungsanleitungen und Empfehlungen, die online veröffentlicht werden (ssi.guidelines.ch). Momentan stehen nationale Richtlinien in Deutsch und Französisch für zwölf Krankheitsbilder zur Verfügung, etwa für Harnwegsinfekte oder für Syphilis. Weitere Richtlinien werden laufend ergänzt.
Eine für das Projekt «Antibiotika Stewardship Programme» (ASP) im Jahr 2017 durchgeführte Umfrage unter 134 Spitälern in der Schweiz hat aufgezeigt, dass ASP-Aktivitäten vielerorts fehlen, etwa das systematische Überprüfen von Verschreibungen von antimikrobiellen Substanzen. Generell schnitten Universitätsspitäler in dieser Umfrage besser ab als private Spitäler. Insgesamt aber hat die ganze Schweiz Nachholbedarf, wie der internationale Vergleich nahelegt. So implementieren weltweit 56 % der Krankenhäuser umfassende Stewardship Programme – aber nur 29 % der hiesigen Spitäler. Nun entwickelt eine Arbeitsgruppe Werkzeuge, um die Verwendung von Antibiotika in den Spitälern schweizweit zu verbessern.
Multiresistente Erreger
Das dritte Projekt, «Prävention und Kontrolle von multiresistenten Erregern» fokussiert auf national einheitliche Empfehlungen zur Prävention und Bekämpfung von Ausbrüchen mit multiresistenten Bakterien in Spitälern. Die Empfehlungen enthalten einen allgemeinen Teil, der das systematische und schrittweise Vorgehen bei einem Ausbruch beschreibt und die Zuständigkeiten der Fachpersonen definiert. Der spezifische Teil geht auf einzelne multiresistente Erreger ein. So werden beispielsweise Massnahmen zur Erkennung von Patientinnen und Patienten festgelegt, die Träger von multiresistenten Bakterien sind, etwa Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) oder Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA). Um die Ausbreitung dieser Keime von Anfang an zu verhindern, muss eine Risikoeinschätzung, die unter anderem von Aufenthalten im Ausland abhängt, gleich beim Eintritt ins Spital vorgenommen werden.