
Nikotinprodukte: Spagat zwischen Jugendschutz und Schadensminderung
Dez. 2024Tabakprävention in der Schweiz
Immer mehr Menschen in der Schweiz konsumieren tabakfreie Nikotinprodukte, insbesondere E-Zigaretten. Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat der Konsum ein besorgniserregendes Ausmass angenommen. Denn diese Produkte sind nicht harmlos: Sie enthalten gesundheitsgefährdende Stoffe und können abhängig machen. Nur für Raucherinnen und Raucher, die nicht aufhören können oder wollen, kann ein Umstieg auf tabakfreie Nikotinprodukte sinnvoll sein.
Der Konsum von E-Zigaretten steigt jährlich, insbesondere bei Jugendlichen, wie aktuelle MonAM-Daten zeigen: Während 2022 5,4 Prozent der 15- bis 19-Jährigen mindestens einmal pro Monat E-Zigaretten konsumiert haben, hat sich der Konsum in dieser Altersgruppe 2023 verdoppelt (auf 10,5 Prozent). Angesichts der Strategien, mit denen die Industrie diese Produkte vermarktet, erstaunt diese Entwicklung nicht: Die bunten Farben, die trendigen Geschmacksrichtungen («Peach Ice», «Pink Lemonade», «Cool Mint» etc.) und die gezielte Platzierung der Produkte in den sozialen Medien richten sich systematisch an ein junges Publikum.
Für Nichtraucherinnen und Nichtraucher nicht geeignet
Die zunehmende Beliebtheit dieser Produkte bei Jugendlichen ist problematisch, denn sie enthalten gesundheitsgefährdende Stoffe. So hat eine Kontrolle des Kantonalen Laboratoriums Basel-Stadt bei drei E-Zigaretten Salicylsäure und Methylsalicylsäure nachgewiesen, die als reproduktionstoxisch gelten. Zudem hat das enthaltene Nikotin (das teilweise in höheren Konzentrationen als in herkömmlichen Zigaretten vorhanden ist) ein sehr hohes Suchtpotential. E-Zigaretten können deshalb den Einstieg in den Konsum herkömmlicher Zigaretten begünstigen. Für Kinder und Jugendliche und auch für erwachsene Nichtraucherinnen und Nichtraucher sind Nikotinprodukte daher nicht geeignet.
Alternative für Raucherinnen und Raucher
Personen, die herkömmliche Zigaretten konsumieren, sollten an erster Stelle dabei unterstützt werden, den Rauchstopp zu versuchen. Für den Ausstieg stehen Medikamente, geprüfte Nikotinersatzprodukte wie Nikotinpflaster und auch kostenlose Beratungsangebote zur Verfügung, beispielsweise das Beratungsangebot stopsmoking. Für Raucherinnen und Raucher, die trotz dieser Unterstützung den Nikotinkonsum nicht beenden können oder wollen, können tabakfreie Nikotinprodukte eine Alternative sein. Denn nach heutigem Kenntnisstand ist ihr Schadenpotenzial weniger hoch als das von herkömmlichen Zigaretten. Mit dem konsequenten Umstieg auf tabakfreie Nikotinprodukte wird zwar die Nikotinabhängigkeit nicht beendet, aber das individuelle gesundheitliche Risiko kann reduziert werden. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass die Langzeitfolgen des Gebrauchs von E-Zigaretten bisher nicht bekannt sind.
Bisher unzureichende Qualitätssicherung
Kommt hinzu: E-Zigaretten sind kein geprüftes Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung. Das Tabakproduktegesetz regelt zwar neu auch E-Zigaretten. Mit den festgelegten Anforderungen an die Zusammensetzung der Produkte, der Meldepflicht und der Pflicht zur Selbstkontrolle durch die Unternehmen wurde jedoch ein laxer Ansatz der Qualitätssicherung gewählt. Deshalb ist es zentral, dass die neuen rechtlichen Grundlagen nun konsequent umgesetzt und nicht konforme Produkte vom Markt genommen werden.
Passivdampf und Umweltbilanz
Neben den Auswirkungen auf die Gesundheit der Konsumierenden haben Nikotinprodukte noch weitere schädliche Aspekte. So ist bisher nicht vollständig erforscht, wie gefährlich der Passivdampf von E-Zigaretten ist – es gibt aber Hinweise darauf, dass er zu mehr und stärkeren Asthmaanfällen bei Kindern und Jugendlichen führt. Und: E-Zigaretten und insbesondere Einweg-E-Zigaretten haben eine schlechte Umweltbilanz. Sie enthalten Lithium-Ionen-Akkus, Kunststoffe und Schwermetalle, die bei unsachgemässer Entsorgung die Umwelt erheblich belasten.
Kinder und Jugendliche schützen, aber Umstieg ermöglichen
Aufgrund der Gesundheitsrisiken und des grossen Abhängigkeitspotenzials von Nikotinprodukten sollte die Politik rasch Antworten finden, damit insbesondere Minderjährige besser vor diesen Produkten geschützt sind. Um den Konsum unter Kindern und Jugendlichen zu senken braucht es Massnahmen, die Nikotinprodukte weniger attraktiv machen. Das können zum Beispiel neutrale Einheitsverpackungen oder das Verbot von Aromen sein.
Und für Raucherinnen und Raucher, die den Rauchstopp nicht schaffen oder nicht aufhören wollen, braucht es im Sinne der Schadensminderung Produkte, die einer effektiven Qualitätsprüfung unterzogen worden sind. Auch hier besteht in der Schweiz noch Handlungsbedarf.