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Bunt gebündelte Kernaussagen: 26 Stimmen aus den Interviews in 100 «spectra»-Ausgaben.

Ausgabe Nr. 100
Sep. 2013
Lebensstil und Gesundheit

spectra Nr. 100. Was haben eine Stillberaterin und eine Ständerätin, eine sich prostituierende Heroinabhängige und ein Bundesrat, ein Kabarettist und ein Kripo-Chef gemeinsam? Sie alle wurden in den vergangenen 18 Jahren für die Zeitschrift «spectra» interviewt. Sie alle haben reflektiert über Gesundheit und Sucht, über Prävention und Gesundheitsförderung, über Wünschbares, Machbares und seine Grenzen. Denn «spectra» hat von seiner ersten Ausgabe an Fachleute und Betroffene zu Wort kommen lassen. Als bunter Strauss hier ein paar Zitate aus diesen Gesprächen, die die Zeit überdauern oder den Zeitgeist wieder aufleben lassen.

spectra 7, März 1997

Ambros Uchtenhagen, Sozialpsychiater, Suchtforscher
«Sucht ist in einem gewissen Sinne auch Synonym für Pluralismus und für Freiheit. Wer diese bejaht und die positiven Aspekte darin sieht, muss auch die andere Seite erkennen und akzeptieren, dass für manche diese Freiheit nicht nur Positives mit sich bringt. Gefordert ist hier von einer Gesellschaft als Gegenstück für die Freiheit: Solidarität.»

spectra 8, Mai 1997

Urs Rechsteiner, Chef der Genfer Kriminalpolizei
«Wenn wir uns um die Jugendlichen kümmern, tritt oft das Opportunitätsprinzip in den Vordergrund. Vielfach überlassen wir es der Einschätzung des jeweiligen Mitarbeiters aus der Minderjährigen-Brigade, ob eine Übertretung zur Anzeige kommt oder nicht. Kommt ein Jugendlicher zum ersten Mal in Konflikt mit dem Gesetz, versuchen wir oft, das Problem eher auf der sozialen als auf der repressiven Ebene anzupacken.»

spectra 15, März 1999

Christophe Mani, Groupe Sida Genève
«Im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum beobachten wir sehr viel Prostitution. Sie wird begleitet von grossem Elend und teilweise enormem Druck auf die Drogenabhängigen, die sich prostituieren, Sex ohne Präservativ anzubieten. (…) Man ist konfrontiert mit dem mangelnden Selbstwertgefühl, mit der Verwundbarkeit und der schwierigen Situation, mit Gewalt und dem Sicherheitsbedürfnis dieser Frauen.»

spectra 16, Mai 1999

Claudia, Teilnehmerin am HeGeBe-Programm in Luzern
«Heute habe ich gar keinen Kontakt mehr zur Szene. Am Anfang war es nicht einfach, den Tag zu gestalten. Ich habe noch nie so viel Zeit gehabt und wusste überhaupt nicht, was anzufangen damit. Nun arbeite ich auch wieder – seit Jahren zum ersten Mal.»

spectra 19, Februar 2000

Flavia Schlegel, Leiterin Sektion Aids
«Als Beispiel sei hier nur die Rolle der Fachleute genannt, die Menschen mit HIV und Aids betreuen. Früher galt es, sie in den Tod zu begleiten, heute haben sie vielmehr juristische Beratung nötig.»

spectra 25, Februar 2001

Philippe Lehmann, Leiter Sektion Drogeninterventionen
«Was uns auch optimistisch stimmte, war die Überzeugung, dass Drogen­ab­hängige nicht verrückt sind. Auch sie wollen lieber weniger Risiko. Wir haben sie ernst genommen. Wir haben immer versucht, die Betroffenen oder Fach­leute, die direkt mit Betroffenen arbeiteten, mit einzubeziehen. Dieses partizi­pative Vorgehen ist ein Erfolgsfaktor für das Programm.»

spectra 34, August 2002

Heidi Fritschi, Regionalleiterin Berner Gesundheit
«Viele Spieler versuchen gegen aussen möglichst lange ihre Sucht zu verheimlichen und die Fassade aufrechtzuerhalten.»

spectra 44, Mai 2004

Michel Graf, Direktor SFA (heute Sucht Schweiz)
«Die Präventionsbotschaften können nicht mehr in Stein gemeisselt werden für hundert Jahre, wie dies beim Alkohol der Fall war, die Realität verändert sich laufend, also müssen wir auch die Prävention laufend anpassen.»  

spectra 52, August 2005

François van der Linde, Präventivmediziner
«Sicher viel zu reden geben wird und nicht kurzfristig realisierbar ist die Empfehlung, vom Bestrafungsmodell des Konsums wegzukommen zugunsten eines  Regulierungsmodells für die verschiedenen Suchtmittel. Ein Regu­lie­rungs­modell, welches aufgrund der Gefährlichkeit und der gesellschaftlichen Bedeutung einer Substanz ihre Erhältlichkeit definiert: von freiem Zugang über eingeschränkte Erhältlichkeit bis zum Verbot. Die Erhältlichkeit kann zudem auch nach Alter abgestuft werden, wie wir dies heute bereits beim Alkohol kennen.»

spectra 54, Januar 2006

Hans Ruh, Sozialethiker
«Heute sind wir wieder in einem Absturzgebiet: Globalisierung, Neoliberalismus und Deregulierung prägen das Bild. Es gilt nun, unter den Bedingungen der Globalisierung Freiheit und Solidarität wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Das ist unheimlich schwierig, denn die Institutionen, die dies früher geleistet haben, sind schwach. Die Zivilgesellschaft muss sich die Solidarität zurückerobern, und die Wirtschaft muss selber dafür sorgen, dass Ethik und Solidarität implementiert werden, weil der Staat dies nicht mehr tun kann.»

spectra 57, Juli 2006

Anne-Catherine Menétrey-Savary, Nationalrätin
«Ganz generell ist unsere Gesellschaft abhängigkeitsfördernd, sie schafft Sucht und Abhängigkeit, weil sie eine Konsumgesellschaft ist, die nach ‹immer mehr› strebt. Aber ich bin überzeugt, dass man den Konsumentinnen und Konsumenten die bestmögliche Gebrauchsanweisung geben sollte. Wir müssen mit Risiken umgehen lernen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Risiken omipräsent sind – nicht nur, was Substanzen anbelangt, sondern auch andere Risikoverhalten. Deshalb muss man in der Prävention aktiv sein, aber auch bei der Therapie, der Betreuung und der Schadensminderung.»

spectra 63, Juni 2007

Ruth Genner, Nationalrätin
«Schöne Plakate allein nützen nichts. Prävention und Gesundheitsförderung müssen auf Verhältnisebene ansetzen.»

spectra 67, März 2008

Daniel Habegger, Aktionsbündnis Psychische Gesundheit Schweiz
«Psychische Krankheiten sind extrem häufig, meistens heilbar, und es gibt keinen Grund, sie anders zu behandeln oder sie anders zu betrachten als somatische Krankheiten. Aber in unseren Köpfen sind sie immer noch etwas ‹nicht Normales›, etwas, das nicht zum Leben gehört. (…) Wenn man davon ausgeht, dass in der Schweiz fast 50% der Menschen im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal an einer psychischen Krankheit leiden, dann kann man nicht mehr von einem Phänomen einer Minderheit reden.»

spectra 68, Mai 2008

Franz Wyss, Zentralsekretär GDK
«Ich halte generell sehr wenig von Zentralisierung. Aber man muss vorsichtig sein. Das Epidemiengesetz beweist zum Beispiel, dass es gewisse Aktivitäten und Massnahmen des Staates gibt, die vorzugsweise auf nationaler Ebene geregelt werden.»

spectra 71, November 2008

Felix Gutzwiller, Ständerat und Präventivmediziner
«Es ist einer der Kernaufträge eines modernen Staates, dass er die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger schützt. Und zu diesem Schutzauftrag gehört natürlich auch, dass man entsprechend informiert und sensibilisiert. Ich glaube, insgesamt kann die Legitimation der öffentlichen Hand nicht bestritten werden, im Gesundheitsbereich zu sensibilisieren und zu informieren.»

spectra 72, Januar 2009

Rolf Rosenbrock, Gesundheitsforscher
«Was die Schweizer HIV/Aids-Politik vor allem auszeichnet, ist, dass sie in jedem Gebiet und in jeder Gruppe mit einer erhöhten Prävalenz sehr schnell den internationalen Forschungsstand aufgenommen und in bemerkenswertem Tempo in die Praxis umgesetzt hat. Hinzu kommt die Stärke, die die Schweiz nicht nur in der HIV/Aids-Politik auszeichnet: die grosse Fähigkeit zur Systematik und zum Durchhalten.»

spectra 74, Mai 2009

Silvia Honigmann Gianolli, Still- und Ernährungsberaterin
«Vielen Erkrankungen wird durch das Stillen vorgebeugt. Wenn es um das Sparen im Gesundheitswesen geht – hier können wir damit anfangen. Stillen ist die effektivste und günstigste Prävention, die es gibt. (...) Man kann bei der Schweiz kaum von einem stillfreundlichen Land sprechen.»

spectra 75, Juni 2009

Christine Egerszegi-Obrist, Ständerätin
«Wir können uns heutzutage 26 verschiedene Gesundheitssysteme nicht mehr leisten.»

spectra 78, Dezember 2009

Thomas Zeltner, Direktor des BAG
«Zu Prävention und Gesundheitsförderung sagen eigentlich alle ‹Ja – aber bitte nicht auf meine Kosten oder gegen meine Interessen›. So kommt der grosse Widerstand eben von Gruppen, denen es mit Prävention schlechter gehen könnte. (…) In einigen Ländern entstehen sogar schon in gewissen Bereichen der Medizin Widerstände.»

spectra 82, September 2010

Illona Kickbusch
«Man sieht Sucht gerne als Jugendproblem, aber die Daten zeigen immer deutlicher, dass es viele Menschen gibt, die erst im Alter ein Suchtverhalten entwickeln.»

spectra 87, Juni 2011

René Setz, Forum Männergesundheit
«Ich finde es schade, dass sich in unserer Gesellschaft nicht mehr vom Lebensstil der Frauen durchgesetzt hat. Es scheint sich der männliche Lebensstil durchgesetzt zu haben, und der orientiert sich wie gesagt an der bezahlten Arbeit.»

spectra 88, September 2011

Emil Steinberger, Kabarettist
«Gute Hobbys und Interessen sind die beste Prävention.»

spectra 89, November 2011

Ruth Dreifuss, alt Bundesrätin
«Zwar ist es der Schweiz und manchen europäischen Ländern gelungen, den Problemen des Gesundheitswesens im Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit einiges an Gewicht zu verleihen, aber es herrscht nach wie vor eine offenkundige Unausgewogenheit zwischen den gewaltigen Mitteln, die für die Repression eingesetzt werden, und den sehr viel bescheideneren, welche für Prävention, Behandlung und Schadensminderung zur Verfügung stehen.»

spectra 95, November 2012

Erika Forster-Vannini, Ständerätin
«Wir haben festgestellt, dass die problematische Internetnutzung zwar immer noch relativ wenig verbreitet ist, aber rasch zunimmt. Für mich ist es wichtig, dass vorausschauend gehandelt wird.»

spectra 97, März 2013

Silvia Schenker, Nationalrätin
«Ich bin überzeugt, dass der Bund eine stärkere Führungsrolle übernehmen muss.»

spectra 98, Mai 2013

Alain Berset, Bundesrat
«Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem ein gesundes Verhalten einfach ist.»

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