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Nachgefragt: Wie hängen Sucht und Suizidalität zusammen?

Ausgabe Nr. 136
Dez. 2022
Suizidprävention

Suchterkrankungen sind ein komplexes Krankheitsbild. Entsprechend wichtig sind eine umfassende Anamnese und eine integrierte Behandlung, bei der auch suizidale Krisen berücksichtigt werden, sagt Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie bei der Arud, Zentrum für Suchtmedizin.

Herr Beck, treten Suchterkrankungen und suizidales Denken bzw. Verhalten oft gemeinsam auf?

Ja, denn bei suchtbetroffenen Menschen haben wir es aus verschiedenen Gründen mit einer Risikogruppe zu tun. Es gibt verschiedene Hypothesen zum Zusammenhang von Sucht und Suizidalität. So kann der Konsum von Suchtmitteln das Risiko für suizidale Gedanken erhöhen. Umgekehrt gibt es suizidale Personen, die versuchen, sich mit Suchtmitteln selbst zu therapieren. Häufig liegen auch psychische Komorbiditäten vor: Sucht tritt oft in Kombination mit Traumata, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen auf. Das sind wiederum Risikofaktoren für die Entwicklung suizidaler Gedanken. Entsprechend müssen wir bei dieser vulnerablen Gruppe immer achtsam sein, was Suizidalität angeht.

Wie gehen Sie mit suizidalen Krisen in der suchtmedizinischen Versorgung um?

Wenn eine Patientin oder ein Patient von Suizidgedanken betroffen ist oder Suizidabsichten äussert, muss unverzüglich interveniert werden, um die betroffene Person zu stabilisieren und zu schützen. Dies kann von hochfrequenten Gesprächen im ambulanten Setting bis zu einer stationären Krisenintervention reichen. Wichtig ist dabei eine gute therapeutische Beziehung, gerade bei sozial marginalisierten Personen. Sie haben wenig Unterstützung aus ihrem Umfeld, was den Therapeuten oder die Therapeutin umso wichtiger macht. Sind Angehörige oder Vertrauenspersonen vorhanden, werden sie in Absprache mit den Betroffenen als Ressource in die Therapie einbezogen.

Und wenn die suizidale Krise in den Hintergrund tritt, wie verläuft die Behandlung weiter?

Es ist zentral, die gesamte Situation umfassend zu betrachten und die Behandlung integriert anzugehen. Wir müssen etwa das Substanzkonsumverhalten gut verstehen, von erfolgten Suizidversuchen und von psychischen oder somatischen Erkrankungen wissen sowie eine Vorstellung von der sozialen Situation haben. Weil diese Faktoren zusammenspielen, gilt es, jeweils dynamisch zu entscheiden, in welchen Bereichen die betroffene Person zum gegebenen Zeitpunkt Unterstützung braucht, sei es somatisch, psychisch, sozial oder bezüglich des aktuellen Substanzgebrauchs.

Wird der Suizidprävention am stationär-ambulanten Übergang, also rund um Klinikaustritte, besondere Beachtung geschenkt?

Behandlungen bei Suchterkrankungen sind in der Regel Langzeitbehandlungen. Mit der Zeit vergrössern sich einfach die Abstände zwischen den Sitzungen. Je länger diese werden, desto wichtiger ist es, dass sich Patientinnen und Patienten bei Verschlechterungen oder in Krisensituationen sofort melden. Oft können Schuld- und Schamgefühle die Kontaktaufnahme erschweren. Wir arbeiten deshalb während der Therapie intensiv daran, dass unsere Patientinnen und Patienten keine Hemmungen haben, sich an uns zu wenden.

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