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«Digitalisierung ist mehr, als Papierprozesse zu digitalisieren»

Ausgabe Nr. 138
Okt. 2023
Elektronisches Patientendossier

Für eine erfolgreiche Digitalisierung müssen wir den Mut haben, Prozesse von Grund auf neu zu denken, sagt Martine Bourqui-Pittet. Sie ist seit November 2022 Leiterin der Geschäftsstelle von eHealth Suisse (eHS). Als Kompetenz- und Koordinationsstelle von Bund und Kantonen übernimmt eHS auf Basis des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) die formellen Vollzugsaufgaben im Bereich eHealth.

Frau Bourqui-Pittet, welche Aufgaben gehören zum Kerngeschäft von eHealth Suisse hinsichtlich der Einführung des elektronisches Patientendossier (EPD) in der Schweiz?

Wir sind für Standards und Normen zuständig und geben technische Spezifikationen heraus, vernetzen die Stammgemeinschaften (EPD-Anbieter) und beraten sie auf technischer Ebene. Weiter entwickeln wir Austauschformate, um strukturierte Daten zur Verfügung zu stellen – etwa für den elektronischen Impfausweis –, und kommunizieren mit Stakeholdern. Bürgerinnen und Bürger können sich zum Beispiel mit Fragen zum EPD jederzeit an uns wenden.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen beim EPD?

Eine der grössten Herausforderungen ist die Anzahl beteiligter Akteure: Neben den acht (Stamm-) Gemeinschaften gibt es drei Anbieter von IT-Plattformen, drei e-ID-Anbieter und über 100 Primärsystemanbieter, also von Software, die beispielsweise in den Physio- oder Arztpraxen genutzt wird. All diese Systeme müssen miteinander kommunizieren können. Und wir müssen das EPD bekannter machen. Einen messbaren Mehrwert werden wir erst haben, wenn viele Leistungserbringer angeschlossen sind und viele Leute ein EPD haben.

Wie können Gesundheitsfachpersonen vom Mehrwert des EPD überzeugt werden?

Wir müssen einen einfachen Umgang mit dem EPD sicherstellen. Leistungserbringer sollen zum Beispiel nicht zweimal die gleichen Daten eintippen müssen, sondern Dokumente mit einem Klick vom Primärsystem ins EPD übertragen können. Wir arbeiten daran, dass diese tiefe Integration möglich wird, bieten technischen Support an und haben Infomaterial dazu erarbeitet. Und wir müssen zeigen, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit mit dem EPD dadurch verbessert wird.

Und wie kann die breite Bevölkerung vom Mehrwert des EPD überzeugt werden?

Das EPD bietet in vielen Situationen jetzt schon einen echten Mehrwert. Zum Beispiel: Kommt eine Person in den Notfall, kann die Ärztin dem EPD sofort alle wichtigen Informationen, etwa zu vorhandenen Allergien, entnehmen. Diese «use cases» müssen wir bekannt machen. Wenn dann Austauschformate wie der eMedikationsplan dazukommen, gewinnt das EPD noch mehr an Nutzen.

Welche weiteren Entwicklungen erhoffen Sie sich beim EPD?

Es werden weitere Austauschformate dazukommen: ein Notfallpass, die eÜberweisung, der Allergiepass oder der Intoleranzpass. Wir arbeiten auch daran, dass im EPD die Patientenverfügung abgelegt werden kann. Das EPD wird zur zentralen Ablage all dieser Gesundheitsthemen werden. Weiter sollen Prozesse wie die EPD-Eröffnung vereinfacht werden – bereits heute bietet fast die Hälfte der Stammgemeinschaften eine Online-Eröffnung an.

Wie kann die Digitalisierung des Gesundheitswesens neben dem EPD weiter vorangetrieben werden?

Was uns sehr am Herzen liegt, ist die Etablierung von Standards und Normen, damit alle Akteure eine gemeinsame Sprache sprechen. Und wir müssen verstehen, was Digitalisierung bedeutet: Es ist viel mehr, als einfach Papierprozesse zu digitalisieren. Wir müssen Prozesse neu denken und den Mut haben, sie anders aufzubauen. Mit dem Programm DigiSanté, einem Programm des EDI zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, machen wir schon einen grossen Schritt in die richtige Richtung.

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Kontakt

Martine Bourqui­Pittet
Leiterin Geschäftsstelle eHealth Suisse

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