Essen, das gut tut – und Freude macht
Dez. 2020Nationale Präventionsstrategien: Zwischenbilanz und Ausblick
Die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 leistet mit ihrem Fokus auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung, die schmeckt, einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der nationalen NCD-Strategie.
Wer sich regelmässig bewegt, aufs Rauchen verzichtet, höchstens mit Mass Alkohol trinkt und sich ausgewogen ernährt, hat bessere Chancen, lange gesund zu bleiben. Doch leider steigt der Anteil der Bevölkerung mit Übergewicht und Adipositas weiterhin. Das liegt auch am aktuellen Ernährungsverhalten, wie die erste nationale Ernährungserhebung «menuCH» aufgezeigt hat. In den Jahren 2014 und 2015 wurden rund 2000
Personen im Alter von 18 bis 75 Jahren zu ihren Ess- und Trinkgewohnheiten befragt. Die Aus-
wertung machte deutlich: Das Ernährungsverhalten der Schweizer Wohnbevölkerung weicht erheblich von den Empfehlungen ab. «Wir essen beispielsweise viermal mehr Süsses oder Salziges und dreimal mehr Fleisch als die empfohlenen Mengen», sagt Liliane Bruggmann, Leiterin Fachbereich Ernährung beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
Lebensmittel bewusst wählen
Die grossen Unterschiede zwischen den Ernährungsempfehlungen und dem tatsächlichen Verhalten hätten klargemacht, dass die Ernährungsstrategie 2017–2024 darauf abzielen müsse, mit allgemein verständlich formulierten Informationen die Ernährungskompetenz der Bevölkerung zu stärken. «Zudem werden neu zum Beispiel auch Schwangere, Kleinkinder, ältere Menschen oder Personen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, gezielt angesprochen, damit jede und jeder in eigener Verantwortung eine bewusste Wahl der Lebensmittel treffen kann», sagt Bruggmann.
Ein Projekt, das die Wahl von gesunden Lebensmitteln beim Einkaufen vereinfacht, ist der so genannte Nutri-Score. Dabei handelt es sich um eine in Frankreich entwickelte und in verschiedenen europäischen Ländern verwendete Kennzeichnung, die ähnliche Lebensmittel auf einer farbigen Skala von A (grün = ausgewogen) bis E (rot = unausgewogen) einteilt und so einen raschen Vergleich erlaubt. «Hinter dem Nutri-Score steckt ein wissenschaftlich validierter Algorithmus», erklärt Bruggmann. Er wägt die positiven Aspekte eines Lebensmittels – zum Beispiel den Gehalt an Früchten, Gemüsen, Nahrungsfasern – gegen die negativen Faktoren ab. Je mehr Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und Energie in einem Lebensmittel stecken, desto stärker tendiert der Nutri-Score in den roten Bereich.
Auch die 2018 eingeführte App «MySwissFoodPyramid» setzt bei der Information der Bevölkerung an. Auf spielerische Weise erhalten die Nutzerinnen und Nutzer dieser App Tipps zu einer ausgewogenen, abwechslungsreichen und saisongerechten Ernährung. Die App ermöglicht es, ein Ernährungstagebuch zu führen – und die eigene Ernährung mit den Empfehlungen zu vergleichen. So macht sie erfahrbar, dass Lebensmittel der unteren Pyramidenstufen in grösseren Mengen und diejenigen der oberen Stufen massvoll konsumiert werden sollen. Grundsätzlich aber haben alle Lebensmittel ihren Platz auf dem Speisezettel. Die Pyramide lasse genügend Spielraum für persönliche Vorlieben, damit der Genuss nicht zu kurz komme, meint Bruggmann.
Der Nutri-Score zeigt auf, wie ausgewogen ein Produkt zusammengesetzt ist. Damit können ähnliche Lebensmittel verglichen werden.
Gesunde Wahl vereinfachen
Neben der Sensibilisierung der Bevölkerung zielt der Aktionsplan der Ernährungsstrategie auch auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen ab. «Wir möchten, dass die gesunde Wahl zur einfachen Wahl wird», sagt Bruggmann. Das bei der Umsetzung der Ernährungsstrategie federführende BLV setzt dabei auch auf den Dialog mit der Privatwirtschaft. So hat Bundesrat Alain Berset mit anfangs zehn, unterdessen aber schon 14 Lebensmittelproduzenten und Vertretern des Detailhandels die Erklärung von Mailand unterzeichnet, in der sich die Unternehmen verpflichten, die Rezepturen ihrer Produkte zu überprüfen. Und, wo möglich, den zugesetzten Zucker in Joghurts und in Frühstückscerealien schrittweise zu reduzieren. Dieser – oft unbewusst konsumierte – Zucker trägt in entscheidendem Masse dazu bei, dass die Bevölkerung in der Schweiz pro Kopf und Tag fast 110 Gramm Zucker zu sich nimmt. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt.
Mit regelmässigen Erhebungen konnte das BLV nachweisen, dass der zugesetzte Zucker von 2016 bis 2018 abgenommen hat: in Joghurts durchschnittlich um 3,5 %, in Frühstückscerealien sogar um 13 %. «Damit haben die Unternehmen ihre 2017 gesetzten Reduktionsziele klar erreicht», sagt Bruggmann. Im August 2019 haben sich Alain Berset und die 14 Unternehmen ein drittes Mal getroffen und beschlossen, die Zusammenarbeit zur Verbesserung der Lebensmittelzusammensetzung in den folgenden Jahren zu vertiefen. Dabei sprachen sich die Unternehmen dafür aus, den Zucker bis 2024 um weitere 10 % in Joghurts und um 15 % in Frühstückscerealien zu reduzieren. Doch darüber hinaus wurde auch die Erweiterung der Erklärung von Mailand ins Auge gefasst. Neu sollen Reduktionsziele für Salz hinzukommen, damit Salatsaucen, Suppen und Brote in Zukunft weniger Salz enthalten – aber immer noch gleich gut schmecken.