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«Zu wissen, dass die Qualität stimmt, ist für mich ein grosser Mehrwert»

Ausgabe Nr. 139
Dez. 2023
Cannabispolitik – wie weiter?

Illegalität verhindert keinen Konsum. Diese Erkenntnis hat einen Cannabiskonsumenten dazu bewogen, am Basler Cannabis-Pilotversuch «WeedCare» teilzunehmen. Mit seiner Teilnahme kann er dazu beitragen, wissenschaftliche und evidenzbasierte Erkenntnisse für künftige Entscheide zur Regelung des Umgangs mit Cannabis zu gewinnen. Ein Erfahrungsbericht.

«Die ersten 27 Jahre meines Lebens habe ich nichts von Cannabis gehalten. Aufgewachsen in den 60er- und 70er-Jahren, wurde ich zu diesem Thema nur mit Horrorszenarien konfrontiert. Als ich dann aber wegen einer Nervenentzündung an chronischen Schmerzen litt, gegen die selbst starke Schmerzmedikamente nicht halfen, hat mir ein Freund Cannabis angeboten. Und das hat mir dann sehr schnell geholfen! Seitdem konsumiere ich – mal mehr, mal weniger regelmässig. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen ich sehr häufig und viel konsumiert habe. Zu keiner Zeit hat die Illegalität den Konsum verhindert – im Gegenteil hat diese den Konsum verstärkt, weil ich mir grössere Mengen aufs Mal bestellt habe, um den Beschaffungsstress zu minimieren.

«Vor ein paar Jahren habe ich aufgehört, meinen Konsum zu verstecken oder mich dafür zu schämen – seitdem mache ich mich für die Legalisierung stark. Ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen nicht anfangen, zu konsumieren, nur weil Cannabis legal erhältlich ist.»

Einsatz für legalen Konsum

Vor ein paar Jahren habe ich aufgehört, meinen Konsum zu verstecken oder mich dafür zu schämen – seitdem mache ich mich für die Legalisierung stark. Ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen nicht anfangen, zu konsumieren, nur weil Cannabis legal erhältlich ist. Vielmehr werden Konsumentinnen und Konsumenten entstigmatisiert und wissen, welche Qualität sie bekommen. Des Weiteren könnten sich Betroffene mit problematischem Konsum leichter um adäquate Hilfe bemühen. Problematisches Konsumverhalten von Rauschmitteln ist schliesslich immer eine psychologische und medizinische Fragestellung – und kein Problem, das durch juristische Sanktionen gelöst werden kann. Im Gegenteil: Die vorhandenen Probleme werden durch Sanktionen nur zusätzlich verstärkt, zum Beispiel dadurch, dass Geldstrafen bei eh schon prekären Einkommensverhältnissen verhängt werden oder Existenzen durch Einträge im Strafregister oder Haftstrafen zerstört werden.

Deshalb habe ich auch nicht gezögert, mich für den Pilotversuch anzumelden, als ich in der Zeitung davon gelesen habe. Ich möchte zum Erkenntnisgewinn beitragen und nehme einen gewissen Aufwand gerne in Kauf, etwa das regelmässige Ausfüllen von Fragebögen oder den um ca. 10 Prozent höheren Preis, den die Produkte in der Apotheke kosten.

Eine Packungsgrösse

Der Kauf von Cannabis in der Apotheke unterscheidet sich nicht vom Kauf einer Packung Aspirin. Ich weise mich als Teilnehmer des Pilotversuchs aus, bestelle das Produkt und bezahle es. Das Personal weiss, dass es sich um einen geschlossenen Kundenkreis handelt, der informiert und durch Fachpersonen begleitet ist.

Das Angebot besteht aus sechs Sorten Blüten und Haschisch, beides in verschiedenen Stärken. Die Qualität der Produkte unterscheidet sich nicht gross von jenen aus dem Schwarzmarkt, ausser dass das Gras aus der Apotheke relativ trocken ist, was aber nicht negativ ins Gewicht fällt.

Im Gegensatz zum Schwarzmarkt stellt es für mich aber einen grossen Mehrwert dar, dass ich eine reine, geprüfte Qualität in einer von mir gewählten Stärke bekomme. Die Produktinformationen sind professionell, die relevanten Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind auf der Packung ausgewiesen. Was mich hingegen etwas stört, ist, dass man nur Fünf-Gramm-Portionen erwerben kann. Bei mir gibt es Tage, an denen ich Lust habe, zu konsumieren, dazwischen gibt es aber immer wieder längere Abstinenzphasen. Daher fände ich es gut, wenn ich zum Beispiel auch Zwei-Gramm-Packungen erwerben könnte. Bei Fünf-Gramm-Packungen ist es so, dass ich Übriggebliebenes schlecht auf die Seite legen kann und rasch konsumieren muss, auch weil die Blüte mit der Zeit an Qualität verliert.

«Meiner Meinung nach würde eine Legalisierung positive Effekte bringen wie die Entstigmatisierung, eine verlässliche Produktsicherheit sowie saubere Inhaltsstoffe.»

Gesicherte Qualität

Der legale Erwerb über die Apotheke ist etwas aufwendiger als der illegale Erwerb. Auf dem Schwarzmarkt ist es zu Beginn zwar etwas schwierig, an die Kontakte zu kommen – kennt man aber Verkäufer, wird die Ware jeweils direkt nach Hause geliefert. Jetzt ist es anders: Ich muss in die Apotheke gehen und mich an Öffnungszeiten halten. Ich finde aber, dass sich dieser Mehraufwand und die geringen Mehrkosten mehr als lohnen, denn ich gewinne Sicherheit und weiss, dass die Qualität der Produkte stimmt.

Für mich bedeutet es viel, mich nicht mehr in der Illegalität zu bewegen und dass ich keine Angst mehr haben muss, dass ich zum Beispiel mit synthetischen Cannabinoiden gestreckten Hanf erhalte.

Ich bin davon überzeugt, dass eine Legalisierung mehr positive als negative Auswirkungen hat. Weder glaube ich an eine signifikante Steigerung der Anzahl Konsumentinnen und Konsumenten noch daran, dass bereits Konsumierende viel mehr konsumieren als vor der Legalisierung. Meiner Meinung nach würde eine Legalisierung positive Effekte bringen wie die Entstigmatisierung, eine verlässliche Produktsicherheit sowie saubere Inhaltsstoffe. Auch gehe ich von einer erheblichen Entlastung der Behörden und der öffentlichen Finanzen aus, weil die Strafverfolgung nicht unerhebliche Ressourcen bindet und aktuell keine Möglichkeit besteht, Kosten durch eine reguläre Produktbesteuerung abzufedern. Und schliesslich wird damit der Schwarzmarkt verdrängt, wovon wiederum die ganze Gesellschaft profitiert.»

Kontakt

D.F., 58 Jahre, aus Basel

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