Sprunglinks

zurück

«Im Vordergrund stehen Probleme, welche die Arbeitsfähigkeit und Leistung betreffen»

Ausgabe Nr. 133
Mär. 2022
Betriebliches Gesundheitsmanagement

5 Fragen an Sabine Dobler, Expertin für Suchtfragen bei Sucht Schweiz. Sie erklärt, dass Vorgesetzte – aber auch Kolleginnen und Kollegen – wichtige Impulse geben können, um Personen mit problematischem Konsum zu Veränderungen zu bewegen. Der erste Schritt liegt darin, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz klar anzusprechen.

1 Wie verbreitet ist das Thema Sucht am Arbeitsplatz in der Schweiz?

Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen dazu, aber man kann sicher sagen, dass es kein Randproblem ist. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 5  der Arbeitnehmenden ein Alkoholproblem haben. Für andere Suchtmittel ist es noch schwieriger, Zahlen zu nennen. Ein problematischer Suchtmittelkonsum kann sich auf mehrere Arten negativ auswirken: Oft fallen die Leistungen von betroffenen Mitarbeitenden ab, sie werden unzuverlässiger und bleiben öfter der Arbeit fern. Zudem erhöht sich das Risiko für Unfälle. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass Alkohol und andere Suchtmittel bei 15 bis 25  der Arbeitsunfälle eine Rolle spielen

«Die Weltgesundheits­organisation WHO schätzt, dass Alkohol und andere Suchtmittel bei 15 bis 25 der Arbeitsunfälle eine Rolle spielen.»

2 Wie hängt der Sucht­mittelkonsum mit Problemen am Arbeitsplatz zusammen?

Der Konsum von Suchtmitteln wirkt sich negativ auf die Arbeitsleistung und das Verhalten am Arbeitsplatz aus. Das gilt nicht nur dann, wenn sich der Suchtmittelgebrauch chronifiziert, sondern auch bei punktuellem Konsum. Kommt jemand im stark verkaterten oder sonst wie von Drogen beeinflussten Zustand zur Arbeit, müssen Vorgesetzte reagieren – und die Person zum Ausnüchtern nach Hause begleiten lassen. Am nächsten Tag muss ein klärendes Gespräch stattfinden, in dem darauf hingewiesen wird, dass sich so ein Vorfall nicht noch einmal ereignen darf. Ein isoliertes Ereignis muss nicht bedeuten, dass jemand ein Suchtmittelproblem im engen Sinn hat. Bei chronifizierten Problemen mit Suchtmitteln empfehlen wir ein stufenweises Vorgehen, mit einer Evaluationsphase nach einem Erstgespräch – und weiteren Gesprächen, wenn sich keine Verhaltensänderung eingestellt hat. Bei diesen Gesprächen steht weniger der Suchtmittelkonsum an sich im Vordergrund, sondern vielmehr die Probleme, welche die Arbeitsfähigkeit und die Leistung betreffen. Wir haben einen Leitfaden entwickelt, um Vorgesetzte zu unterstützen und ihnen Orientierung zu verschaffen.

3   Vorgesetzte müssen reagieren, wenn sie bemerken, dass jemand Suchtmittel konsumiert. Was können oder sollen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen tun?

Oft sind Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen die Ersten, die merken, wenn etwas nicht stimmt und sich das Arbeitsverhalten und die Leistung der betroffenen Person verschlechtern. Viele versuchen, der betroffenen Person zu helfen, indem sie für sie einspringen. Solche kompensierenden Verhaltensweisen sind gut gemeint, aber nicht zielführend. Wir raten, das Gespräch zu suchen. Und dabei der betroffenen Person die Beobachtungen zu schildern, die man gemacht hat. Wenn ein Suchtmittelproblem nicht chronisch ist, lenken Betroffene oft ein. Wenn sich nichts verändert, sollten Kolleginnen und Kollegen aber nicht zögern, sich an Vorgesetzte zu wenden.

«Viele versuchen, der betroffenen Person zu helfen, indem sie für sie einspringen. Solche kompensierenden Verhaltensweisen sind gut gemeint, aber sie sind nicht zielführend.»

4   Welche Rolle spielen betriebliche Suchtpräventionsprogramme?

Probleme mit Suchtmitteln sind leider nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu, und auch in Unternehmen neigte man lange Zeit dazu, über solche Probleme von Mitarbeitenden hinwegzuschauen. Doch allmählich zeichnet sich glücklicherweise eine Enttabuisierung des Themas ab: An vielen Orten ist der professionelle Umgang mit Suchtmittelproblemen in Betrieben ein fester Bestandteil der Personalpolitik. Dazu gehört zum Beispiel ein betriebliches Suchtpräventionsprogramm, das Leitlinien für den Umgang mit Alkohol und anderen Suchtmitteln im Unternehmen definiert und beschreibt, wie bei Hinweisen auf Suchtmittelprobleme vorgegangen wird. Aus unserer Sicht gibt es mehrere gute Gründe, ein wirksames Suchtpräventionsprogramm einzuführen. Solche Programme verringern das Unfallrisiko – und erhöhen die Sicherheit nicht nur der betroffenen, sondern aller Mitarbeitenden. Sie fördern auch ein positives Arbeitsklima und die Arbeitszufriedenheit, was sich günstig auf die Arbeitsmotivation auswirkt. Kurz: Betriebliche Suchtprävention zahlt sich aus!

5   Gehen betriebliche Suchtpräventionsprogramme auch auf spezifische Zielgruppen, wie etwa Jugendliche, ein?

Ja, Konzepte für Suchtprävention sollten auch auf Lernende ausgerichtet werden. Betriebe können durch Früherkennung und -intervention viel dazu beitragen, problematischem Suchtmittelkonsum junger Menschen vorzubeugen.

Links

Kontakt

Sabine Dobler
Projektleiterin bei Sucht Schweiz

Nach oben