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Pandemie verstärkt ungleiche psychische Belastung

Ausgabe Nr. 137
Jun. 2023
Gesundheit und Soziales: Schnittstellen stärken

Die Covid-19-Pandemie war für viele psychisch belastend. Und sie hat bestehende Ungleichheiten verstärkt: Denn besonders betroffen waren sozial, ökonomisch oder gesundheitlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wie eine Übersichtsstudie im Auftrag des BAG zeigt.

Krisenzeiten können Angst, Erschöpfung oder Depressionen verursachen und die Psyche von Betroffenen auf eine harte Probe stellen. So auch die Covid-19-Pandemie: Zwar hat die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Pandemie psychisch gut überstanden. Laut einer im Dezember 2022 veröffentlichten Übersichtsstudie fanden sich aber bei ungefähr 2 bis 3,5 Prozent der Befragten Hinweise auf Depressionen oder Angststörungen – mit rückläufiger Tendenz seit der Entspannung der Lage im Frühjahr 2022.

Besonders betroffen waren Bevölkerungsgruppen, die schon vor der Pandemie sozial, ökonomisch oder gesundheitlich benachteiligt waren: Alleinlebende, Menschen in prekären finanziellen Verhältnissen, Arbeitslose und Personen mit psychischen oder körperlichen Vorerkrankungen schätzten ihre psychische Gesundheit schlechter  und den negativen Effekt der Pandemie grösser ein als die Durchschnittsbevölkerung.

Finanzielle Engpässe und Existenzängste

Zwar stieg die psychische Belastung während der Pandemiewellen bei einem Grossteil der Bevölkerung an, in der zweiten und dritten Welle deutlich stärker als in der ersten Welle. Bei den meisten Menschen sank sie aber jeweils in Phasen gelockerter Massnahmen und rückläufiger Fallzahlen rasch wieder. Anders bei den vulnerablen Gruppen: Bei ihnen verbesserte sich die psychische Befindlichkeit in den Phasen der Entspannung tendenziell weniger stark. 

Einflussfaktoren gibt es verschiedene: Besonders ins Gewicht fallen die Verschlechterung der materiellen Lebensbedingungen, finanzielle Engpässe und Existenzängste, welche durch die Pandemie ausgelöst oder verstärkt wurden. Wer keine Stelle hatte, um seinen Job fürchtete oder eine IV-Rente bezog, berichtete eher von negativen psychischen Folgen der Krise. Besonders betroffen waren Personen mit kumulierten Risikofaktoren. Eine Studie im Kanton Genf fand bei Sans-Papiers, also Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz, überdurchschnittlich häufige und schwere Symptome psychischer Belastungen. 

Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten hatten schon vor der Pandemie eine schlechtere psychische Gesundheit als die Schweizer Durchschnittsbevölkerung. Während der Pandemie verstärkten sich diese Unterschiede tendenziell, wobei Verschlechterungen primär bei trans Personen festgestellt wurden. Gründe dafür waren offenbar vor allem Einschränkungen beim Zugang zu Hormontherapien oder zu geschlechtsangleichenden Operationen

Chronifizierung der psychischen Belastung

Nach der zweiten Pandemiewelle fanden sich bei einem Teil der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen Hinweise auf eine Chronifizierung der psychischen Belastung – besonders ausgeprägt bei Mädchen und jungen Frauen, jungen Menschen aus ärmeren Haus­halten und Personen mit Migrationshintergrund. Der Behandlungsbedarf in der Kinder- und Jugendpsychiatrie stieg an. Die bereits vor der Pandemie bestehende Unterversorgung hat sich verschärft. 

Wie in der Allgemeinbevölkerung sind jedoch auch bei Jugendlichen die Reaktionen auf die Krise heterogen und vom individuellen Zusammenspiel aus Risiko- und Schutzfaktoren abhängig. Enge Familienbande und ein gutes soziales Netz etwa können vor Risikoverhalten wie exzessivem Medien- oder Alkoholkonsum oder vor Schlafstörungen schützen.

Gefragte Hilfsangebote

Das BAG hat während der Pandemie zwischen 2020 und 2022 verschiedene niederschwellige Hilfsangebote mit insgesamt zwei Millionen Franken unterstützt – zum Beispiel Initiativen von Organisationen wie Pro Juventute, Pro Mente Sana, Die Dargebotene Hand oder Ciao.ch. Die Beratungsanfragen und Nutzungszahlen dieser Angebote haben im Verlauf der Pandemie deutlich zugenommen.

Gemeinsam mit der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz und den Kantonen hat das BAG auch die aktuelle Situation in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung diskutiert. In vielen Kantonen und Regionen wurden Initiativen ergriffen oder Kapazitäten erhöht. Es ist wichtig, vorhan­dene Lücken in der psychiatrisch-­psychotherapeutischen Versorgung zu schliessen. Gleichzeitig müssen auch Belastungen früher erkannt und die persönlichen Ressourcen gestärkt werden: Das entlastet nicht nur die stark geforderten Versorgungsstrukturen, sondern verbessert auch die Lebensqualität der jungen Menschen

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Kontakt

France Genin,
Sektion Nationale Gesundheitspolitik

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