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Wenn Apotheke und Hausarztpraxis eine Symbiose bilden

Ausgabe Nr. 131
Okt. 2021
Interprofessionalität 
und koordinierte Versorgung

In Chur haben in den letzten Jahren zahlreiche Hausarztpraxen geschlossen. Dem drohenden Engpass in der Grundversorgung begegnet Medi Porta mit einem interprofessionellen Geschäftsmodell: Die Verzahnung von Apotheke und Arztpraxis ermöglicht eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben – und ein breites, dienstleistungsorientiertes Angebot für die Bevölkerung.

Das Medizinische Zentrum «gleis d» in Chur liegt direkt beim Bahnhof. In den obersten drei Etagen haben Ärztinnen und Ärzte verschiedene Praxen eingerichtet. So weit, so normal. Doch im Erdgeschoss befindet sich Medi Porta: ein interprofessionelles Beratungs- und Behandlungszentrum, das in der Biologie wohl als Symbiose von Apotheke und Hausarztpraxis bezeichnet würde. Und das «die Vorteile einer Apotheke mit denen einer Arztpraxis vereint», wie die Website von Medi Porta festhält.

«Wir haben auf einer Fläche von 170 Quadratmetern einen Verkaufsraum, Arbeitsräume für die Apothekerinnen, zwei Behandlungszimmer für Hausärzte sowie je ein Zimmer für Röntgen und Labor untergebracht», sagt Christoph Quack, ärztlicher Leiter von Medi Porta. Aus Platzgründen lagern die Medikamente der Apotheke im Keller, bei Bedarf holt sie ein Roboter automatisch nach oben ans Tageslicht.

Engpass in der medizinischen Grundversorgung

Das neue Geschäftsmodell habe sich aufgedrängt, sagt Quack. Denn zwischen 2008 und 2015 hätten sich die Hausarztkonsultationen am Medizinischen Zentrum «gleis d» fast verdoppelt. Das sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass in Chur aufgrund von Pensionierungen viele Hausarztpraxen geschlossen wurden. Das Bündner Ärztenetzwerk Grisomed warnte 2015 in einer Studie vor einem drohenden Engpass in der medizinischen Grundversorgung. «Wir wussten, dass wir mehr Anfragen erhalten würden – und dass wir mit einer weiteren Arztpraxis nur eine limitierte Anzahl von Personen zusätzlich betreuen könnten», sagt Quack.

So kam die Idee auf, mit einer Apotheke zusammenzuarbeiten, die als erste Anlaufstelle die Personen berät – und gleich auch triagiert. «Wenn jemand zum Beispiel an einer Blasenentzündung leidet, finden wir im gemeinsamen Gespräch und dank einem hinterlegten Algorithmus heraus, ob wir Antibiotika direkt abgeben können – oder ob wir die Person an eine Ärztin oder einen Arzt verweisen müssen», sagt Barbara Caratsch, Apothekerin und Leiterin von Medi Porta.

Caratsch sagt, dass viele Personen froh seien, ihr gesundheitliches Problem gleich vor Ort einer Ärztin oder einem Arzt zeigen zu können. Die beiden Praxen, die hinter den Räumlichkeiten der Apotheke liegen, haben jeden Tag halbstündige Reservetermine offen, die von Caratsch und ihren Kolleginnen gebucht werden können. Dass sie die Leute bei Bedarf direkt weiterleiten könne, sei auch für sie vorteilhaft, meint Caratsch: «Denn wenn die Person zurückkommt, erfahre ich gleich, was beim Gespräch mit dem Arzt besprochen wurde.»

Bereichernder Austausch

In der Symbiose sieht auch Quack viele Vorteile, zum Beispiel: «Seit wir unsere eigenen Medikamentenspezialistinnen im Haus haben, müssen wir Ärzte keine Pharmavertreter mehr empfangen.» Allerdings hatte sich Quack zu Beginn eine noch engere Zusammenarbeit erhofft – und sich zum Beispiel vorgestellt, gemeinsam mit den Pharmazeutinnen den Medikamentenplan der Patientinnen und Patienten besprechen zu können. «Doch diese Hoffnung hat sich bisher leider nicht erfüllt», sagt Quack. In der Realität fehlt einfach oft die Zeit für gemeinsame Gespräche.

Dafür tauschen sich die Pharma-Assistentinnen und medizinischen Praxis-Assistentinnen rege aus. Für Mitarbeitende in der Apotheke sei es bereichernd, Einblicke in die Medizin zu erhalten, zum Beispiel in die Auswertung von Blutmesswerten aus dem Labor oder in die Interpretation der im EKG aufgezeichneten Herzschläge, meint Quack. Und umgekehrt profitieren auch die Mitarbeitenden in der Praxis von der Nähe zur Apotheke, denn in den vier Jahren seit Beginn von Medi Porta hat sich auch das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Philosophien entwickelt. «Wir haben Pa­tienten vor uns, die Apothekerinnen haben Kunden vor sich», sagt Quack. Ihm ist aufgefallen, dass mit diesem Bild des Kunden auch eine grössere Dienstleistungsorientiertheit einhergeht. «In einer Arztpraxis ist es als Patient oft umständlich, sich Medikamente nach Hause liefern zu lassen. Doch für eine Apotheke ist das Standard», sagt Quack.

Mit dieser Dienstleistungsorientiertheit verbunden ist auch die niederschwellige und auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete «Beratung auf Augenhöhe», welche  Medi Porta auf ihrer Webseite verspricht. Wie im Namen angedeutet, stehen die Türen von Medi Porta innerhalb der Geschäftszeiten auch ohne Voranmeldung allen immer offen.

Das Medizinische Zentrum «gleis d» scheint aus der Not eine Tugend gemacht zu haben. Es bietet aus einer Hand das ganze Spektrum von der Beratung über die Diagnostik bis zur Behandlung an. «Dank der kompakten Verzahnung von Apotheke und Arztpraxis können wir die Aufgaben besser verteilen – und die Menschen erhalten genau das, was sie zu diesem Zeitpunkt brauchen», sagt Quack.

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